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Eine wundersame Weihnachtsreise: Roman (German Edition)

Eine wundersame Weihnachtsreise: Roman (German Edition)

Titel: Eine wundersame Weihnachtsreise: Roman (German Edition)
Autoren: Corina Bomann
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eine Horde Zombies über den Zug herfallen. Klar, Letzteres war unwahrscheinlich, aber seit eben schien ihr alles möglich. Auch das Auftauchen dreier bunter Weihnachtsgeister.
    Doch »Last Christmas« war es nicht, wozu der Saxophonist und der Klarinettist anhoben.
    »Feliz Navidad!«, schmetterte der Sänger und schwang dazu sein Tamburin. »Feliz Navidad …«
    Anna überlief es eiskalt. Auf ihrer Hitliste der meistgehörten und meistgehassten Weihnachtslieder belegte dieses einen guten zweiten Platz vor Bing Crosbys »White Christmas«.
    Doch noch während ihrer innerlichen Hasstirade gegen den Song spürte Anna plötzlich, dass sie ruhiger wurde. Das lag nicht daran, dass die Musikanten den Song wechselten. Vielmehr spürte sie etwas Vertrautes in dem Umstand, dass Musiker in der U-Bahn mitfuhren. Das war schon in ihrer Jugend so gewesen, und auch damals schon hatte sie das genervt. Aber – sie war zu Hause! Sie war in Berlin. Und nur noch ein paar Minuten trennten sie von dem Wiedersehen mit Jonathan, ihrer Mutter und ihrem Stiefvater.
    Die Musiker hatten ihr Lied gerade beendet, als der Zug plötzlich bremste und zum Stehen kam. Die Fahrgäste sahen sich verwundert an.
    Für einen Moment lauschten alle, die Stille war nahezu greifbar. Anna gingen alle möglichen Schreckensszenarien durch den Sinn.
    »Letzte Woche«, hörte sie eine Frau zu ihrer Sitznachbarin sagen, »da hat einer versucht, sich umzubringen. Ist in den Tunnel gelaufen, der Dussel, und wollte sich vom Zug erwischen lassen. Glücklicherweise haben sie ihn bemerkt und die Züge angehalten. Hat fast ’ne Stunde gedauert, bis sie ihn gefunden hatten. Erst dann konnten wir weiter. Mein Friseurtermin war da natürlich futsch.«
    »Meine Damen und Herren, wegen einer technischen Störung sind wir gezwungen, für einen Moment im Tunnel zu halten«, plärrte die Durchsage über ihre Köpfe hinweg. Gemurmel wurde nun laut.
    »Ich bin mir sicher, das ist wieder einer!«, mutmaßte die Frau. »Jetzt zu Weihnachten ist es kein Wunder, dass welche durchdrehen, wenn sie allein sind und niemanden haben.«
    »Das stimmt nicht so ganz«, schaltete sich ein Mann ein. Sein feiner schwarzer Mantel passte hervorragend zu dem silbermelierten Haar. Auch wenn es sonst keine Hinweise darauf gab, man sah ihm deutlich den Arzt oder Psychologen an. »Zu Weihnachten ereignen sich komischerweise die wenigsten Selbstmorde. Die höchste Selbstmordrate gibt es im Frühjahr und Sommer.«
    »Möglicherweise ist ihnen auch einfach nur der Strom ausgegangen«, mutmaßte eine ältere Dame, doch das wurde von den Fahrgästen gleich abgestritten.
    »Nein, nein, ich sag’s Ihnen, da ist wer im Tunnel. Vielleicht kriegen wir noch die Polizei zu sehen.« Die Frau drehte sich zum Fenster und machte einen langen Hals, zu sehen bekam sie wohl ebenfalls nur Dunkelheit.
    Anna atmete tief durch. Hatten die Leute denn nichts Besseres zu tun, als sich am Heiligen Abend über Selbstmörder zu unterhalten?
    »Ola, dann wir spielen noch mal!«, verkündete der Anführer des Musikertrupps nun, und nur wenig später setzte die Musikanlage ein.
    Anna kam sich vor, als sei sie erneut in einen Traum geglitten. Einen Alptraum. Vielleicht sollte ich darum bitten, dass sie »Last Christmas« spielen, schoss es ihr durch den Kopf.
    Sie schob die Hand in die Tasche, fand etwas Kleingeld und wollte sich gerade erheben, um den Musikern ihren Wunsch mitzuteilen. Da lief der Motor der U-Bahn wieder an, und nur ein paar Augenblicke später setzte sie sich wieder in Bewegung.
    Anna warf dem jungen Mann, der die Spenden einsammelte, trotzdem etwas Geld in den zerdrückten Pappbecher und lächelte.

23. KAPITEL
    » N ächste Station Krumme Lanke!«
    Anna, die mittlerweile ganz allein in dem Waggon war, erhob sich, nahm ihren Trolley und trat vor die Tür, während der Zug sein Tempo drosselte und schließlich anhielt.
    Endlich! Die Krumme Lanke begrüßte sie mit bleicher künstlicher Beleuchtung und einer Dunkelheit, die alles jenseits der Lampen schluckte. Durch die Lichtkegel wirbelten ein paar Schneeflocken, ein eisiger Wind zwickte den Leuten in die Nase und brachte sie dazu, noch etwas schneller zu laufen.
    Anna trat auf den Bahnsteig und blickte auf die Bahnhofsuhr. Konnte sie ihr vertrauen? Vermutlich, denn nicht alle Bahnhofsuhren gingen nach.
    Jedenfalls war sie gestern ungefähr zur gleichen Zeit im Zug aufgewacht, zweihundert Kilometer von hier entfernt. Ob der Schneepflugfahrer immer noch unterwegs
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