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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
Autoren: Stephan Niederwieser
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bin ich stolz auf ihn.
    Guck, sie gehen. Jetzt dürfen sie Kaffee trinken. Einen Moment noch, Theo. Ich brauche nur noch ein bißchen, dann hast du mich wieder ganz für dich. Wir liegen jetzt nebeneinander. Hörst du? Du und ich. So soll es sein. Jetzt sind wir wieder zusammen. Darauf freue ich mich schon seit Jahren.

Bernhard *
     
    „Nein, nur Ersatzkaffee“, sagt Barbara mit ihrer aufdringlichen, spitzen Stimme, so laut, daß es der halbe Saal hören kann. „Aber ohne Zichorie“, fügt sie hinzu. „Und ohne Datteln. Datteln darf er auch keine essen, sonst kriegt Mausi nur wieder Blähungen.“ Es ist mir so peinlich mit ihr, ich schäme mich in Grund und Boden für meine Schwester.
    „Wie wird Mausi nur damit fertig?“ flüstert Edvard hinter vorgehaltener Hand. „Hast du ihn schon mal gefragt?“
    „Du machst wohl Scherze. Ich hab noch nie ein Wort mit ihm ohne Barbara gesprochen. Sie nimmt ihn ja sogar mit aufs Klo.“
    „Salz ist ganz schlecht für den Blutdruck“, fährt sie fort, als hätte sie jemand aufgefordert, einen Vortrag über Gesundheit zu halten. „Also, Salz verwenden wir praktisch überhaupt nicht mehr.“ Ich habe keine Ahnung, wer diese alte Dame ist, mit der sie sich so ausgiebig unterhält.
    „Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich vermuten, Mausi ist schwanger und nicht sie“, flüstert Edvard. Ich schaue ihn aus dem Augenwinkel heraus an, und wir müssen beide das Lachen unterdrücken.
    Beerdigungen sind pervers, aber der Leichenschmaus ist noch viel perverser. Da hat man einen Menschen verloren, der einem wichtig war, und dann soll man sich mit einer Horde wildfremder Menschen unterhalten.
    „Schöne Rede, Bernhard.“ Ein älterer Mann schlägt mir kumpelhaft seine Pranke auf die Schulter. „Aus dir ist ja ein richtiger Kerl geworden.“
    Was soll das heißen, frage ich mich und sehe aus dem Augenwinkel, daß Edvard hämisch grinst. Ich stehe auf und schaue auf den Fremden, der einen Kopf kleiner ist als ich, hinunter.
    „Oder muß ich dich jetzt siezen? Kannst dich nicht erinnern, was? Ich hab mit deinem Vater, Gott hab ihn selig“ – er bekreuzigt sich, als er das sagt –, „sonntags immer Karten gespielt. Ich kenn dich, seitdem du so klein bist.“ Er hält die Hand in Höhe meiner Hüften.
    Ich habe keine Ahnung, wer das ist. Und es interessiert mich auch nicht im geringsten. Weil mir nichts einfällt, strecke ich ihm meine Hand hin. Ich nicke, ich lächle, dieses Ritual vollziehe ich schon seit Stunden, nicken, lächeln oder traurig schauen, je nachdem, was gefordert ist.
    „War eine tolle Frau, deine Mutter. Und dein Vater. Feiner Mann. Ganz feiner Mann. Traurig, traurig. Bestimmt ein schwerer Schlag für dich“, sagt er und schüttelt den Kopf. Als er wieder aufschaut, sehe ich, daß er rote Augen hat. Ich lächle noch mal, ein bißchen gequälter jetzt, weil es mir angemessener erscheint.
    „Und Sie sind ein Arbeitskollege?“ fragt er und hält Edvard die Hand hin.
    Edvard antwortet nicht; er überläßt es mir. Ich könnte lügen und seine Frage einfach bejahen, oder ich könnte es ihm unter die Nase reiben, daß Edvard mich geheiratet hat. Aber wozu? Wer immer dieser Mensch ist, er wird es nicht verstehen.
    „Das ist mein Freund, Edvard“, sage ich und lasse den Fremden hineininterpretieren, was er möchte. „Meine Mutter hat ihn sehr geliebt“, setze ich hinzu, einfach, weil es stimmt. „Wenn ich richtig darüber nachdenke, war er auch ihr Sohn.“
    „Ja, sie hatte ein großes Herz“, sagt der Fremde, dann klopft er mir sehr heterosexuell auf die Schulter, bevor er geht.
    Edvards Augen sind feucht – nicht wegen Lydia, sondern wegen dem, was ich eben gesagt habe. Er ist immer überrascht, so etwas von mir zu hören, ich weiß gar nicht, warum.
    „Ich will mal an die frische Luft“, sage ich. „Kommst du mit?“
    Hannah, die etwas weiter hinten auf Kims Schoß sitzt, sieht uns stehen und schreckt hoch. Im Nu windet sie sich aus den Armen ihrer Mutter und rennt mit erhobenen Armen hinter uns her.
    „He, kleine Lady. Immer mit der Ruhe.“ Ich gehe in die Hocke und erwarte sie. „Ohne dich gehen wir nirgendwohin.“ Dann greife ich ihr unter die Achseln, wirble sie herum und trage sie auf dem Arm hinaus.
    Divja kommt uns entgegen. „Jetzt habt ihr es bald überstanden“, sagt sie, und ich nicke. „Wir sehen uns noch, ja?“
    „Ach, Divja“, sage ich und bleibe stehen. „Damals, als wir Mutter abgeholt haben, da hat sie von einem
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