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Eine unberührte Welt - Band 3 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 3 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 3 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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gesagt haben, ein einziges Mal und nie wieder. Ich wünsche dir trotzdem alles Gute und …« Mir kam zu Bewusstsein, dass ich lauschte, und ich machte, dass ich davonkam.
    An diesem Abend kam er mir völlig gelöst vor. Wir konnten über Automatentheorie, Bundesliga und Politik reden, als gäbe es keine Irmina auf dieser Welt.
    Dann geschahen die Wunder.
    Irminas Tutor hatte trotz aller Heiratspläne, wie sich herausstellte, die Frauenwelt nicht gänzlich vernachlässigt. Es stellte sich heraus, weil er, angeblich auf einem Kongress weilend, sich mit einer anderen Frau traf. Wie der Zufall es wollte, hielt sich nämlich in dem Hotel, in dem das Treffen stattfand, auch ein Kanzleramtsminister oder dergleichen auf, der den Medien just in dem Moment Rede und Antwort stand zum Fall des jüngst aufgeflogenen Atomschmuggels, als die beiden hinter ihm aus dem Aufzug traten. So konnte Deutschland zur besten Sendezeit die beiden engumschlungen im Hintergrund vorbeigehen sehen, in den Spätnachrichten noch einmal und auf anderen Kanälen in anderen Perspektiven. Es muss sehr heftige Szenen gegeben habenim Hause Langenstein, nicht zuletzt, weil die Eltern einen Ruf zu verlieren hatten, kurzum, die Verlobung wurde gekündigt, Türen flogen, Dinge gingen zu Bruch, und am Ende raste der Tutor in seinem Alfa Romeo, der Jahreszeit entsprechend mit geschlossenem Verdeck, davon. Die Kombination von bebenden Nerven und frühem Glatteis ließ seine Fahrt unter einem Sattelschlepper enden, in einem Albtraum aus zerfetztem Blech, den auseinanderzusägen die Feuerwehr mehrere Stunden beschäftigte. Obwohl man Irmina davon abhalten wollte, bestand sie darauf, die verschiedenen Überreste des Tutors zu sehen. Noch in der Leichenhalle bekam sie eine Fehlgeburt. Und einen Tag vor Weihnachten trat sie durch die Tür der Wohnheimküche, um Norbert das alles zu erzählen.
    Die beiden heirateten kurz nach Ostern. Ich war Trauzeuge. Als Norbert mich nach der Feier verabschiedete, gab er mir ein schmales kleines Päckchen mit, in schneeweißes Geschenkpapier eingehüllt. »Du bist der Büchersammler von uns beiden«, meinte er.
     
    Die Jahre vergingen. Aus Ruanda hörte man von Massakern, in Israel wurde Yitzhak Rabin ermordet, in Tokio setzte eine Weltuntergangssekte Giftgas in der U-Bahn frei. Belgien entpuppte sich als Land der Kinderschänder, der Schachweltmeister verlor gegen eine Maschine, auf dem Balkan herrschte Krieg. Das Ende des Jahrhunderts nahte unaufhaltsam.
    Ich schloss mein Studium ab, fand einen Job und lernte Fabienne kennen, die zuerst nichts von mir wissen wollte, mich aber schließlich doch heiratete, fast auf den Tag genau ein Jahr nach Norberts Hochzeit. In den folgenden Jahren waren wir mit Kinderkriegen und Hausbauen beschäftigt, und wie es eben so geht, irgendwann stellte ich fest, dass ich vergessen hatte, Norbert und Irmina die übliche Weihnachtskarte zu schicken, und da sie auch uns keine mehr geschickt hatten, hakte ich die Beziehung als eingeschlafen ab. Was ich noch mitbekommen hatte, war, dass Norbert, der mehr oder weniger gezwungenermaßen in das Geschäft seiner Schwiegereltern eingetreten war, nach einem Schlaganfall des Seniors die Firma ganz übernommen hatte, innerhalbweniger Jahre zum Marktführer in der Gegend wurde und mindestens zehnmal so viel Geld machte, wie er als Informatiker jemals hätte verdienen können. Bei meinem letzten Besuch erzählte er mir eine Menge über Grundstücksspekulationen, Bauträgerschaften und Steuersparmodelle. Ich kapierte nicht einmal ein Viertel davon, und da er sich zu einem ziemlich arroganten Wichtigtuer entwickelt hatte, sah ich von weiteren Besuchen ab.
    Mir ging es gut in der Zeit, der Job machte Spaß, und ich hatte Glück mit ein paar Aktienspekulationen, sodass wir unser Haus früher abzahlen konnten als geplant. Das Jahr 2000 rückte näher, und alle Welt verfiel in Panik, die Computer könnten an Neujahr anfangen, verrückt zu spielen. Goldene Zeiten für Programmierer brachen an, abgesehen von den Nachtschichten, die das mit sich brachte. Zum ersten Mal im Leben mussten wir uns über die Feinheiten der Schaltjahresregeln Gedanken machen – alle vier Jahre, bei glatten Jahrhunderten aber nicht, bei glatt durch vierhundert teilbaren Jahren aber doch wieder, und so weiter. Mein Kollege Wolfram, genannt Der Hundertfünfzigprozentige, nahm das zum Anlass, sich umfassend über alle Kalender kundig zu machen, die die Menschheit jemals entwickelt hatte, und uns in
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