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Eine tolle Zeit

Eine tolle Zeit

Titel: Eine tolle Zeit
Autoren: Fritz Leiber
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müssen, daß ich ihn gar nicht wollte. Ich stieß ihn fort, wobei ich Illy im Geiste eine geistesschwache Tarantel schalt, und sofort war mir ein wenig schuldbewußt zumute. Was für ein Recht hatte ich, Illy zu kritisieren? Würde sich mein eigener Charakter im besten Licht zeigen, wenn ich eine Milliarde Jahre entfernt mit elf Kraken eingeschlossen wäre? Und wo wir schon mal dabei waren – wie kam ich dazu, überhaupt jemanden kritisch anzusehen?
    Trotzdem war ich froh, Abstand von der Party zu haben, obwohl ich weiter zusah. Bruce trank allein an der Bar. Einmal war Sid zu ihm hinübergegangen, und sie hoben einen zusammen, und ich hatte Bruce Rupert Brookes absichtlich miese Zeilen zitieren hören: »Denn England ist das einzige Land, mein Kind, wo Männer mit prächtigen Herzen willkommen sind; und Cambridgeshire in diesem Land, ist für Männer mit Verstand«; und mir fiel ein, daß auch Brooke ganz jung im Ersten Weltkrieg gestorben war, und meine Gedanken kamen da etwas durcheinander. Aber die meiste Zeit trank Bruce nur still vor sich hin. Ab und zu warf ihm Lili einen Blick zu und stockte beim Tanzen und lachte.
    Ich versuchte diese Sache mit Bruce-Lili-Erich zu deuten, soweit mir das möglich war. Lili hatte sich aus ganzem Herzen ihr Nestchen gewünscht, und nichts anderes würde sie je zufriedenstellen, und jetzt würde sie ihren eigenen Weg zur Hölle zurücklegen müssen und wahrscheinlich zum drittenmal an der Brightschen Krankheit sterben, diesmal in der Veränderungswelt. Bruce hatte das Nest oder Lili nicht so sehr gewollt wie die Veränderungswelt und ihre Chancen für soldatisches Ausleben und poetische Besäufnisse; Lilis Same war nicht sein Weg zur Heilung des Kosmos; vielleicht brach er eines Tages eine wirkliche Meuterei vom Zaun, aber vermutlich hielt er sich eher an Barprahlereien.
    Wie ranzig seine und Lilis Vernarrtheit in diesem Augenblick auch aussehen mochte – völlig ersterben würde sie nie. Der Aspekt wahrster Liebe mochte vergehen, aber die Veränderung ringsum würde den Aspekt der Romanze herausheben, und wenn sie sich einmal wiedersahen, mochte es ihnen wie die ganz große Sache vorkommen.
    Erich hatte seinen Kameraden gefunden, nach seiner Vorstellung geformt, der den Mut und die Klugheit aufgebracht hatte, die Bombe zu entschärfen, die auszulöschen er den Mut gehabt hatte. Man mußte es Erich lassen – er hatte den Nerv gehabt, uns alle in eine Lage zu bringen, da wir entweder den Versorger finden mußten oder untergehen würden, aber was ich ihn am liebsten gelassen hätte, so etwas Unangenehmes gab es gar nicht.
    Ich hatte es vorhin einmal versucht. Ich war hinter ihn getreten und hatte gesagt: »He, wie geht es denn meinem schlimmen kleinen Kommandanten? Hast du dein Und so weiter vergessen! « und als er sich umdrehte, krümmte ich die Hand zur Kralle und kratzte ihm damit über die Wange. Damit hatte ich mir das blaue Auge eingefangen. Maud wollte es mit einem elektronischen Blutegel behandeln, aber ich steckte nur das altbewährte Taschentuch ins Eiswasser. Naja, jedenfalls hatte nun auch Erich Kratzer als Gegenstück zu Bruces, zwar nicht so tief, aber immerhin vier Stück, und ich überlegte, vielleicht würden sie sich entzünden – seit der Suche hatte ich mir nämlich nicht mehr die Hände gewaschen. Nicht, daß Erich etwas gegen Liebesnarben hätte.
    Markus half mir auf, als Erich mich niedergeschlagen hatte.
    »Haben Sie auch dafür ein Omnia ?« fragte ich giftig.
    »Wofür?« fragte Markus.
    »Ach, für alles, was uns hier passiert ist«, sagte ich angewidert.
    Er schien tatsächlich einen Augenblick zu überlegen und sagte dann: » Omnia mutantur, nihil interit. «
    »Und das bedeutet?« fragte ich.
    Er sagte: »Alles verändert sich, aber nichts ist wirklich verloren.«
    Das wäre eine herrliche Philosophie, um sie in den Strom der Veränderungswinde zu halten. Auch verdammt dumm. Ich fragte mich, ob Markus wirklich daran glaubte. Ich wünschte, ich könnte es. Manchmal denke ich mir fast, es ist verdammt unsinnig, ein anständiger Dämon sein zu wollen und sogar eine gute Gesellschafterin. Dann überlegte ich mir aber auch: »So ist eben das Leben, Greta. Du mußt dich irgendwie hindurchlieben.« Aber es gibt Zeiten, da es einem schwerfällt, einige von diesen Verrückten liebzuhaben.
    Wieder fuhr etwas über meinen Handballen. Es war Illys Tentakel, der die Stränge der Spitze zu einem Büschel gespreizt hatte. Ich wollte meine Hand schon
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