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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar
Autoren: Edward Bryant
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zur Tür.
    Etwas Kreisendes, Vogelartiges kam von der dunklen Zimmerdecke herabgeflattert und hackte nach Blau-Jades Augen. Die Katzen-Mutter duckte sich und fühlte die Klauen harmlos durch ihr Fell streichen. Sie warf sich auf den Rücken und schlug mit ihren ausgestreckten Krallen zu. Sie erwischte etwas Schweres, Kreischendes; und Federschwingen flappten ihr um die Ohren. Sie wußte, daß sie es töten konnte.
    Doch da preßte sich ein bestiefelter Fuß auf ihre Kehle, und Blau-Jade sah über das immer noch zappelnde Vogelding hinweg auf das Wesen, das Oregons Erfindung studiert hatte. „Tut mir leid“, sagte der Mann und drückte stärker zu.
    „George!“ schrie sie schrill und erstickt, „hilf mir!“ Und dann war der Stiefel so schwer, daß überhaupt keine Worte mehr herauskamen. Die Dunkelheit wurde unerträglich dick.
    Der Druck hörte auf. Sehen konnte Blau-Jade noch nicht, doch sie konnte – unter Schmerzen – wieder atmen. Sie konnte hören, doch sie wußte nicht, was für Geräusche das waren. Dann – helles Licht, Timnaths betroffenes Gesicht und seine Arme, die sie hochhoben.
    Warmer Tee mit Honig in einer Untertasse. George streichelte sie; und von seinen Tränen schmeckte der Tee salzig.
    Vorsichtig rieb sich Blau-Jade die Kehle und setzte sich auf; sie befand sich auf einem weißen Labortisch. Etwas weiter weg, auf dem Fußboden, lag eine unappetitliche Mischung aus Federn und rotem, feuchtem Fleisch. Etwas, das kaum noch als Mensch zu erkennen war, tat einen stockenden Atemzug.
    „Sebastian!“ flüsterte Timnath, der neben dem Körper kniete. „Mein lieber Freund!“ Er weinte.
    „Kräh“, sagte der Sterbende und starb.
    „Hast du ihn getötet?“ fragte Blau-Jade heiser.
    „Nein. Die Schatten.“
    „Wie?“
    „Unerfreulich.“ Timnath schnippte mit den Fingern, und glitzernde Laborratten kamen von den Wänden und machten sauber.
    „Tut dir noch was weh? Ich habe versucht, dir zu helfen“, fragte George, der dicht neben seiner Kinderfrau stand.
    „Du hast mir auch geholfen. Wir leben ja noch alle.“
    „Stimmt“, sagte Timnath, „für diesmal jedenfalls waren Georges Kreaturen mehr hilfreich als störend.“
    „Aber trotzdem mußt du irgend etwas mit deiner Maschine unternehmen“, sagte Blau-Jade.
    Traurig blickte Timnath auf den toten Sebastian LeGoff. „Wir haben Zeit.“
     
     
    Die Zeit verstrich im Sonnenlauf, und eines Tages erklärte Timnath seine Erfindung für fertig. Er rief George und Blau-Jade ins Laboratorium. „Bereit?“ fragte er und legte den Finger auf den Knopf, der die Maschine in Aktion setzte.
    „Weiß nicht“, sagte George und wollte sich hinter Blau-Jade verkriechen. „Ich weiß ja nicht, was passieren wird.“
    „Es wird ihm helfen“, entschied Blau-Jade. „Los, fang an!“
    „Kann sein, er ist für dich verloren“, gab Timnath zu bedenken.
    „Nein!“ jammerte George.
    „Meine Liebe ist groß genug“, sagte die Katzen-Kinderfrau. „Tu es!“
    Die Kristallsäule erglühte in leuchtendem Orange. Ein feines Summen jenseits des Hörbereichs stieg auf und kreiste. Timnath gab auf der Tastatur ein: GEORGES TRÄUME VON DEN SCHATTENVAMPIREN SIND NIE GEWESEN. MERREILE HAT NIE EXISTIERT. GEORGE IST OPTIMAL GLÜCKLICH.
    Der Erfinder hielt inne und drückte auf den Knopf REVISION. Die Kristallsäule erglühte leuchtend orangerot. Ein feines Summen jenseits des Hörbereichs stieg auf und kreiste. Timnath tippte auf der Tastatur ein: GEORGES TRÄUME VON DEN SCHATTENVAMPIREN SIND NIE GEWESEN. MERREILE HAT NIE EXISTIERT. GEORGE IST EINIGERMASSEN GLÜCKLICH.
    Timnath überlas den Code noch einmal und drückte auf den Knopf ACTION. „Das wär’s“, sagte er.
    „Etwas geht weg von uns“, flüsterte Blau-Jade.
    Man hörte Schritte in der äußeren Halle. Zwei Personen. Ein Räuspern, ein elterliches Husten.
    „Wer ist da?“ fragte Blau-Jade. Doch sie wußte es schon.

 
Graue Materie
     
     
     
    Die Stadt. Immer nur die Stadt. In ihr verrottet das Gewebe der Träume.
    Tourmaline Hayes – „die glänzende, sinnliche, manchmal zynische Tourmaline Hayes“, wie der Star-Führer schreibt – grübelt an der schmalen Grenze zwischen Schlaf und Wachsein. Sie liegt allein. Auf eigenen Wunsch.
    Am inneren Fenster ihrer Phantasie drücken sich Gesichter die Nasen platt. Das rührendste Gesicht gehört Francie, der vielgeplagten Naiven.
    Tourmaline und Francie sehen einander an. Zwischen ihnen liegt ein grauer feuchter Strand. Francie kommt mit
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