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Eine Socke voller Liebe

Eine Socke voller Liebe

Titel: Eine Socke voller Liebe
Autoren: Monika Beer
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unterbrechen.
    Nachdem Sabine sich schweigend zurückgelehnt hatte, fragte
Andrea: „Hast du das deinen Kindern auch schon alles so erzählt?“
    „Nein!“ Sie hatte sich wieder gefasst. „Ich habe Tanja nur
kurz zwischen zwei Vorlesungen in der Uni erreicht, und ihr lediglich gesagt,
dass Markus gestürzt ist und im Krankenhaus liegt. Meinen Großen habe ich im
Büro angerufen und ihn leider mitten in einer Besprechung gestört. Der ist
natürlich gleich wieder ausgerastet. Felix vermutete sofort, dass sein Vater
betrunken war. Die Kinder kommen beide morgen früh zu mir. Felix bringt seine
Freundin auch mit. Eva hat an diesem Wochenende keinen Krankenhausdienst. Ich
habe den Eindruck, sie ist ihm eine gute Stütze bei dem problematischen
Verhältnis zu seinem Vater. Beim Frühstück haben wir viel Zeit, und ich werde
hoffentlich die nötige Ruhe aufbringen, um ihnen alles ausführlich erzählen zu
können.“
    „Und du wirst dieses Mal nichts beschönigen und Markus nicht
in Schutz nehmen?“
    „Ja, ich habe es mir vorgenommen.“
    Nach dem Kaffeetrinken liefen die Frauen nebeneinander den Weg
bergauf zu der kleinen, alten Jakobuskirche. Andrea hatte an diesem Nachmittag
noch eine Probe mit Kindern und Jugendlichen in der Kirche des kleinen
Weinortes.
    Sabine freute sich auf die Ablenkung, auch wenn sie sonst aus
den verschiedensten Gründen nicht mehr zu den Kirchgängern gehörte.
    Unterwegs bemerkte sie an einer Abzweigung ein kleines blaues
Schild mit einer gelben Muschelzeichnung darauf.
    Kurz danach las sie das Wort „Pilgerhaus“, das in großen
gelben Buchstaben von einer Hauswand leuchtete.
    „Verläuft hier ein Jakobsweg?“, fragte sie ihre Freundin
verwundert.
    „Ja. Der rheinhessische Jakobsweg beginnt in Bingen und führt
mitten durch unseren Ort. Er endet in Worms. Die sechzig Kilometer lange
Strecke ist erst vor wenigen Jahren neu gekennzeichnet und offiziell eröffnet
worden.“
    „Komisch, dass mir diese Zeichen noch nie aufgefallen sind.“
    „Naja, du bist ja wahrscheinlich auch schon ewig lange nicht
mehr hierher gelaufen.“
    „Da kannst du Recht haben.“
    Die Jugendlichen warteten bereits vor der Kirchentür, als die
beiden Frauen eintrafen. Andrea wurde sofort von ihnen umringt und verschwand
kurz darauf mit der lebhaften Meute in der Kirche.
    Sabine betrat zögernd hinter ihnen das Gotteshaus. Ihr gefiel
der einfache, harmonisch gestaltete Innenraum.
    Hinter dem Altartisch befand sich ein riesiges Marienbild.
Maria saß auf einer Wolke und präsentierte ihren Sohn, während etwa zehn
Frauengestalten andächtig zu ihr hoch schauten. Vielleicht lauter heilige
Mütter? Sabine fand keinen einzigen Mann auf diesem Gemälde.
    Die Bankreihen waren in drei Gruppen so angeordnet, dass die
Gläubigen im großen Halbkreis um den Altar sitzen konnten. Sabine setzte sich
in die linke Bankgruppe und beobachtete ihre Freundin und die Schüler beim
Stimmen der Instrumente.
    Dann erklang die erste Melodie. Die hellen Stimmen der jungen
Sänger berührten sie. Oder war es der Text des irischen Segensgrußes, der
schuld an ihrer aufkommenden rührseligen Stimmung war?
    „Möge die Straße uns zusammen führen und der Wind in deinem
Rücken sein,
    sanft falle Regen auf deine Felder und warm auf dein Gesicht
der Sonnenschein.
    Führe die Straße, die du gehst, immer nur zu deinem Ziel
bergab,
    hab wenn es kühl wird warme Gedanken und den vollen Mond in
dunkler Nacht.
    Hab‘ unterm Kopf ein weiches Kissen, habe Kleidung und das
täglich Brot,
    sei über vierzig Jahre im Himmel, bevor der Teufel merkt: Du
bist schon tot.
    Bis wir uns mal wieder sehen, hoffe ich, dass Gott dich nicht
verlässt,
    er halte dich in seinen Händen, doch drücke seine Faust dich
nicht zu fest.“
    Dazwischen immer wieder der Refrain: „Und bis wir uns wieder
sehen, halte Gott dich fest in seiner Hand…“
    Sie sah sich um. An den Wänden hingen mehrere Podeste, von
denen Heiligenstatuen in den Kirchenraum blickten. Sabines Augen blieben an
einer Pilgerfigur hängen: Ein Mann mit einem Wanderstab in der Hand und einer
Kalebasse am Gürtel. Ein Hut, an dem eine Jakobsmuschel baumelte, hing über
seiner Schulter.
    Sie vertiefte sich in seinen Anblick.
    Der heilige Jakobus, dachte sie, und der rheinhessische
Jakobsweg führt an der Kirche vorbei. In ganz Deutschland, Frankreich und
Spanien hat man viele dieser alten Pilgerwege wieder begehbar gemacht und
ausgeschildert.
    Ihr fielen die Bücher ein, die sie über den
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