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Eine Socke voller Liebe

Eine Socke voller Liebe

Titel: Eine Socke voller Liebe
Autoren: Monika Beer
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auf diesen Tag gewartet. Und jetzt
ist es wie ein Befreiungsschlag: Täteretäää!!!“ Lachend spreizte sie ihre
Finger am ausgestreckten Arm kurz zum Siegeszeichen, bevor sie sie wieder als
Kopfstütze gebrauchte. „Aber ich kann es noch gar nicht richtig glauben, dass
ich jetzt mehr als fünf Wochen lang Zeit für mich selbst habe. Hast du dir das
schon mal so auf der Zunge zergehen lassen?“
    „Hmm“, genießerisch streichelte die Freundin ihre
schwarzgrauen Haarstoppeln und streckte ihre Füße mit den dicken Wanderschuhen
aus. „Wenn ich uns in unserer Wanderkluft so anschaue, werde ich ganz kribbelig
und würde am liebsten sofort loslaufen.“
    „Gemach, gemach! Dazu hast du ab morgen genug Zeit. Und das
jeden Tag.“ Sabine strich sich eine lange Haarsträhne aus der Stirn und
richtete sich auf. „Ich bin ja mal gespannt, ob wir uns da nicht zu viel
vorgenommen haben. Achthundert Kilometer zu Fuß! Klingt schon ein bisschen
größenwahnsinnig. Findest du nicht?“, und ohne eine Antwort abzuwarten fügte sie
hinzu: „Ich glaube, ich fahre zwischendurch öfter mal ein Stückchen mit dem
Bus. Bestimmt, wenn es so heiß ist wie heute.“
    „Jetzt mach aber mal langsam!“, wunderte sich Andrea. „Wer
hatte denn diese grandiose Idee, den Jakobsweg zu laufen?“
    „Ja, ja, das will ich ja auch immer noch. Aber trotzdem…. ich
mein ja nur…. Außerdem ist daran nur diese komische Heiligenfigur in deiner
Kirche Schuld. Eigentlich wollte ich ja mit dir in die Einsamkeit der
finnischen Wälder und Seen fliehen. Aber der fidele Wanderbursche auf dem
Sockel hat mich total hypnotisiert. Sozusagen.“ Sabine bemühte sich, den
zweifelnden, ernsten Ton in ihrer Stimme beizubehalten.
    „Ach, und deshalb lebst du seit drei Wochen in Trance!?“
Ungläubig grinste Andrea ihre Freundin an. „Ja, so ähnlich.“
    „Das glaub‘ ich jetzt aber nicht.“
    „Wieso nicht?“ Sabines grüne Augen blitzten vergnügt auf, und
ein paar kleine Sommersprossen verschwanden in den feinen Lachfalten, die sich
auf ihrer Nase und an den Schläfen ausbreiteten.
    Andrea beendete das alberne Geplänkel: „Weil du in dieser
Zeit so voller Power und Tatendrang warst, wie man es im Traumzustand nicht
sein kann. Ich habe dich sehr bewundert. Nach all dem, was passiert war.“
    „Tja, das war auch ganz gut so, denn ich habe mich bewusst in
die Arbeit gestürzt, um nicht viel Zeit zum Nachdenken zu haben. Sonst wäre ich
womöglich doch noch schwach geworden und in die Klinik gefahren, um Markus zu
besuchen“, gestand Sabine, „vielleicht hat der alte Jakob mir aber auch mit der
Vision die nötige Motivation dazu verabreicht.“
    „Wer weiß?“
    Drei Wochen zuvor: Am Nachmittag nach der Einlieferung ihres
Mannes in die Psychiatrie hatte Sabine ihre Freundin in Dittelsheim-Heßloch
besucht.
    Andrea hatte auf der sonnigen Terrasse ihrer kleinen
Souterrainwohnung den Kaffeetisch bereits gedeckt, als sie das Auto vorfahren
hörte.
    Auf dem Weg zur Tür zupfte sie ein paar verwelkte Blüten aus
den großen Blumenkübeln, die vor der Hauswand standen. In dem Steingarten am
kleinen Hang, der den tief liegenden Sitzplatz vom großen Garten der
Hauseigentümer trennte, wuchsen üppige Sedumgewächse in den verschiedensten
Formen und Farben. Andrea liebte die bizarren, fetten Blätter und kleinen
Blüten dieser Pflanzen.
    Seit ihre Tochter Magdalena vor drei Jahren nach München
gezogen war, lebte sie allein. Sie hatte nie geheiratet und arbeitete als
Musikpädagogin an der Musikschule Worms, wo sie Querflöte und Musikalische
Früherziehung unterrichtete.
    Sabine und Andrea waren seit ihrer Gymnasialzeit beste
Freundinnen.
    Die beiden Frauen begrüßten sich mit einer festen Umarmung,
bevor sie an dem gedeckten Tisch Platz nahmen.
    „Es blüht ja wieder herrlich in deinem kleinen Paradies“,
bewunderte Sabine die leuchtende Blumenpracht.
    „Ja, ich freue mich auch jeden Tag darüber“, entgegnete
Andrea und schenkte Kaffee ein. „Aber jetzt würde ich gerne wissen, was gestern
Abend passiert ist. Deine Andeutungen heute Morgen am Telefon hörten sich ja
schrecklich an.“
    „Es war schrecklich!!“
    Sabine begann, langsam und stockend zu erzählen. Je mehr sie
redete, umso heftiger wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt. Tränen liefen
über ihr Gesicht. Vor ihrer Freundin brauchte sie nichts zu beschönigen und
musste sich nicht zusammen reißen. Hier konnte sie sich gehen lassen.
    Andrea hörte zu, ohne sie zu
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