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Eine Socke voller Liebe

Eine Socke voller Liebe

Titel: Eine Socke voller Liebe
Autoren: Monika Beer
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ihren Schlüsselbund. Sie wollte nicht
mit in die Wohnung gehen. Sie wollte nicht sehen, wie Markus jetzt da lag. Sie
wollte ihn überhaupt nicht sehen. Nicht jetzt. Nie mehr!
    „Kann ich hier warten?“, fragte sie die Notärztin, die gerade
aus ihrem Auto stieg.
    Dankend nahm sie das Angebot an, es sich auf dem
Beifahrersitz bequem zu machen. Die drei Helfer verschwanden hinter der
Haustür.
    Wie auf Kommando gingen mit dem Zuschlagen der Tür in einigen
Wohnungen die Lichter an. Im Nachbarhaus gegenüber wurde ein Rollladen
hochgezogen.
    Sabine rutschte unwillkürlich ein Stückchen tiefer in den
Autositz. „Da hat Frau Meier wieder was zu tratschen; die neugierige Kuh“,
dachte sie, „aber meinetwegen, soll sie doch.“ Im Moment war ihr das alles so
egal, wie einem nur etwas egal sein konnte.
    Sie starrte gebannt auf die Haustür und dachte wieder an
Markus. Wenn er nun stirbt? Bin ich dann schuld daran? Hätte ich ihn vielleicht
in die stabile Seitenlage bringen müssen? Und wenn er sich erbrochen hat und
daran erstickt ist? Vielleicht ist er ja schon tot!
    Bei dieser Vorstellung konnte sie nicht mehr still sitzen.
Sie stieg aus dem Auto und wanderte unruhig hin und her.
    Als sich die Haustür endlich öffnete, blieb sie in einiger
Entfernung stehen und sah zu, wie die Trage mit ihrem Mann in den Krankenwagen
geschoben wurde.
    Erst als der Krankenwagen mit Vollgas und eingeschaltetem
Blaulicht davonbrauste, rannte sie im Dauerlauf auf die Ärztin zu.
    „Was ist mit ihm?“, rief sie ihr entgegen.
    „Er ist noch nicht wieder bei Bewusstsein. Er hat eine
Gehirnerschütterung und vermutlich eine Alkoholvergiftung. Ich habe seinen
Kreislauf fürs Erste einigermaßen stabilisieren können. Alles Weitere geschieht
in der Klinik. Aber kommen Sie, ich begleite Sie nach oben, wenn Sie damit
einverstanden sind.“
    Sabine nickte zustimmend. Es beruhigte sie, dass Markus nicht
tot war. Trotzdem war sie froh, dass sie nicht allein in ihre Wohnung
zurückgehen musste. Sie spürte, wie die junge Frau den Arm um ihre Schulter
legte und sie leicht vorwärts schob. Plötzlich fühlte sie sich unheimlich müde
und hatte Mühe, die Augen aufzuhalten.
    Mit Hilfe der Ärztin schleppte sich Sabine die vier Treppen
hoch. Sie fühlte sich plötzlich wie eine Traumwandlerin. Die Wände bewegten
sich vor ihren Augen. Dann überließ sie sich ganz dem beruhigenden, festen Arm,
der sie hielt und versank in der Schwärze, die sie umgab.
    Als sie die Augen wieder aufschlug, lag sie auf ihrem Bett
und blickte in das freundliche Gesicht der Ärztin. „Sie hatten gerade einen
leichten Schwächeanfall. Ich werde Ihnen später ein Aufbaupräparat und ein
beruhigendes Mittel spritzen, damit sie heute Nacht schlafen können.“
    Dann nahm sie Sabines Hand in die ihre, und noch während sie
fragte: „Darf ich mir das mal ansehen?“, löste sie den Verband. Mit einem
fachmännischen Griff desinfizierte sie die Wunde und versorgte sie mit
Klammerpflaster. Sie gab Sabine eine Beruhigungsspritze und bat sie, sich für
die Nacht fertig zu machen.
    „Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich so viel Zeit für
mich nehmen“, sagte Sabine, nachdem sie aus dem Bad gekommen war und sich
wieder ins Bett legte, „Ihre Fürsorge tut mir gut.“
    „Danke. Ist schon in Ordnung. Sie werden bald einschlafen.
Ich habe Ihnen hier meine Nummer aufgeschrieben und lege Ihnen das Telefon für
den Notfall auf den Nachttisch. Falls Sie mich noch einmal brauchen sollten,
können Sie mich ruhig anrufen. Ich habe die ganze Nacht Dienst. Jetzt hole ich
Ihnen noch ein Glas Wasser, und dann schlafen Sie erst einmal. Morgen ist ein
neuer Tag.“
    Die Ärztin verließ das Schlafzimmer. Sabine war bereits
eingeschlafen, als die junge Frau die Wohnungstür hinter sich zuzog.
    Am nächsten Morgen hätte Sabine die Wohnung am liebsten
fluchtartig wieder verlassen. In der Küche lagen Scherben und leere Flaschen,
der Fußboden klebte. Halbleere Kaffeetassen, Teller mit Essensresten und Töpfe,
in denen angebrannte Speisen klebten, standen auf der verschmierten
Arbeitsplatte. An den Schranktüren waren die Rinnsale undefinierbarer
Flüssigkeiten inzwischen getrocknet.
    Sie verließ die Küche und ging zum Telefon. Ein Blick auf die
Uhr sagte ihr, dass die Schulsekretärin bereits da sein musste. Frau Müller
stellte keine neugierigen Fragen, wenn sie sich krank melden würde. Sie
beendete das Gespräch schnell wieder, indem sie der Lehrerin „gute Besserung“
wünschte.
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