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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung
Autoren: Meredith Duran
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sein.«
    »Nein?« Er schnaubte ungeduldig, dann griff er ihren Arm und zog sie auf die Füße. »Komm schon, du weißt doch noch, wie man solche Entscheidungen trifft. Man geht einfach.«
    Sie versuchte sich loszureißen, aber er schob sie mit eisernem Griff zur Tür. Im Flur ließ er sie los, sah ihr ins Gesicht und fuhr sie an: »Siehst du? Man
geht
. Du hast es einmal getan. Ist das so schwer gewesen?«
    Als er sich abwenden wollte, stürzte sie auf ihn zu, packte jetzt ihn am Ellbogen und riss ihn herum. »Es ist meine Entscheidung. Nicht deine! Ich gehe, wenn ich bereit dazu bin!«
    Sie starrten einander an. Aus irgendeinem abgelegenen Bereich des Hauses drang das schwache Echo eines Lachens durch den Gang, so verwirrend und fremd in Nells Ohren wie die Sprache eines fernen Landes. Es gab nichts, worüber man lachen könnte.
    Bei dem Ausdruck, der über sein Gesicht huschte – Enttäuschung, Trauer, Resignation – wurde ihr kalt. »Mein Gott, Nell. Du würdest Tage bleiben … vielleicht sogar Jahre, solange du glaubst, dass mich zu verlassen nur bedeutet, deine eigene Schwäche einzugestehen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich könnte dich dazu bringen, für immer zu bleiben – und bei Gott, ich bin wahrlich versucht, das zu tun. Aber das werde ich nicht«, fügte er mit einem Achselzucken hinzu. »Das werde ich nicht, Nell.«
    Er drehte sich auf dem Absatz um und ging weg.
    Dieses Achselzucken verschlug ihr den Atem. Es hatte so vollkommen … gleichgültig ausgesehen.
    Sie wich zurück an die Wand, traf dabei eine Vase mit der Schulter, die zu wackeln anfing. Mit geballten Fäusten starrte sie auf seinen Rücken. Verdammter Feigling! Er gab auf. Er ging, noch bevor sie das Haus verließ.
    In der nächsten Sekunde richtete sich all ihre Wut gegen sich selbst. Er hatte gesagt, dass er sie liebte. Und sie liebte ihn auch. Was hatte er überhaupt falsch gemacht? Sie allein traf die Schuld.
    Warum war es so viel einfacher, auf Verzweiflung zu bauen als auf Glück? Aus Liebe zu Simon hatte sie auf fünftausend Pfund verzichtet, sie war nach Bethnal Green zurückgekehrt und hatte all ihre Hoffnungen aufgegeben. Liebe war ein vernünftiger und guter Grund gewesen, um die Verzweiflung auszuhalten. Nur die Liebe hatte ihr die Kraft dafür gegeben.
    Warum war es so viel schwieriger, in der Liebe auch einen Grund für Hoffnung zu sehen? Warum gab sie ihr nicht die Kraft, an ihr künftiges Glück zu glauben?
    »Ich bin ein Fabrikmädchen«, flüsterte sie.
    Er war schon zehn Schritte entfernt.
    Irgendwie hatte er sie gehört.
    Er drehte sich um und sah sie ruhig und ernst an. »Ja«, sagte er. »Ein Fabrikmädchen. Meine Frau. Die Countess of Rushden.«
    Sie legte sich die Hand an die Kehle, weil sie dort Panik aufsteigen fühlte. »Ich wäre nie eine Lady wie die anderen. Ich … mache mir nichts daraus, im Park spazieren zu fahren.« Mit jedem Wort fiel es ihr schwerer, zu sprechen, noch einen Streifen ihrer Haut abzuziehen, ihre hässlichen, gelblichen Eingeweide bloßzulegen. »Höfliche Konversation auf Partys wird mich nicht interessieren. Ich werde es nie lernen. Werde nie lernen, wie man Menschen bezaubert, so wie du. Werde mir nie so viel aus Musik machen wie du. Ich gehe lieber nicht so oft auf die Konzerte von anderen, weil …« Plötzlich brachen die Worte aus ihr heraus: »Weil es Zeitverschwendung ist und ich andere Dinge zu tun habe.«
    »Als da wären?« Er sah sie sehr aufmerksam an, aber sein Tonfall verriet nichts.
    »Ich möchte diese Fabrik kaufen, aber …« Sie befeuchtete ihre Lippen. »Das ist nur der Anfang. Ich glaube, ich möchte so viele kaufen, wie ich kann. Und ich will alle verbessern.«
    Er nickte und ging wieder einen Schritt auf sie zu.
    »Und ich möchte auch etwas dafür tun, dass arme Frauen von Ärzten behandelt werden.« Sie zögerte, überrascht, wie flüssig all diese Pläne aus ihr heraussprudelten. Sie kamen ihr bekannt vor, vertraut, als wären sie irgendwo in ihrem Verstand langsam herangereift und kämen jetzt endlich fertig aus ihr heraus. »Dieser Arzt heute … Ich möchte ein Krankenhaus bauen, wo solche Männer sich um Frauen wie meine Mum kümmern.«
    »Ich verstehe«, sagte er langsam.
    »Wirklich?« Die Welt wollte nicht hören, dass sie Jane Whitby geliebt hatte. Also schön. Sie würde zeigen, dass sie das tat.
    »Ich denke schon«, sagte er.
    Sie starrten einander an. Es überraschte sie vage, dass es ihr nicht albern vorkam, diese Ideen laut auszusprechen. Dann
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