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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig
Autoren: Bettina Belitz
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Vom Himmel hoch
    »So. Das war es dann wohl für dieses Jahr.«
    Seppo blickte nach oben, und tatsächlich – eine einsame verirrte Schneeflocke schwebte langsam aus dem grauen Nichts des Dezemberhimmels und schmolz auf seinen schwarzen Locken.
    »Das war nie und nimmer eine Schneeflocke«, widersprach ich. »Hier schneit es doch fast nie. Das war bestimmt nur ein Stück Asche oder …« Nein. Asche schmolz nicht. Und es war wirklich lausig kalt geworden. Ja, es roch sogar nach Schnee.
    »Ach, Luzie«, seufzte Guiseppe nur und grinste mich schief an. Er war in den vergangenen Tagen etwas netter zu mir gewesen als zuvor, aber nicht nett genug, dass ich ihm verziehen hätte. Daher erwiderte ich sein Grinsen nicht, sondern schaute an ihm vorbei. Vor zwei Wochen hatte er nämlich versucht, mich aus der Gruppe auszuschließen, weil ich beim Training nichts mehr auf die Reihe gekriegt hatte.
    Die Gruppe, das waren Seppo, Billy, Serdan und ich. Wir machten Parkour; wir sprangen über Hindernisse und rannten über Dächer und hangelten uns an Hauswänden hoch. Das Kunststück war, nicht ins Stocken zu geraten oder gar Pausen zu machen, sondern immer geschmeidig zu bleiben und das Tempo und vor allem den Schwung zu halten. Der Schwung war mein Problem. Ich hatte meistens zu viel davon.
    Und das gefiel auch Leander nicht. Deshalb musste er nach dieser verirrten Flocke im puren Glück schweben. Schnee bedeutete, dass wir nicht trainieren konnten. Sobald die Geländer und Dächer vereisten, wurde es zu gefährlich. Leander aber fand Parkour sogar beim schönsten Sommerwetter zu gefährlich. Denn Leander war mein Körperwächter. Schutzengel durfte ich ihn nicht nennen, sonst drehte er durch. Das war für die Körperwächter die größte Beleidigung, die es in ihrer Welt gab. Und ihr schlimmster Fluch war der Körperfluch. Leander hatte diesen Körperfluch abbekommen, weil er vor einigen Wochen einfach mal so beschlossen hatte, mich nicht mehr schützen zu wollen. Daraufhin hatte sein Vater überreagiert, ihn aus der Familie verdammt und dabei im Eifer des Gefechts ein paar Sachen durcheinandergeworfen. Leander ging davon aus, dass sein Vater selbst gar nicht wusste, was danach geschehen war, weil er sofort wieder zu seinem Klienten switchte.
    Jedenfalls besaß Leander nun einen Körper, wenn er in meiner Nähe war, und nur ich konnte diesen Körper sehen. Ich war auch die Einzige, die ihn hören und mit ihm sprechen konnte. Das Komplizierte daran war jedoch, dass nicht nur ich Leander spüren konnte. Alle konnten ihn spüren. Und wir mussten immer höllisch aufpassen, dass wir nicht miteinander sprachen, wenn andere Körperwächter in der Nähe waren. Denn sie sollten nicht merken, dass Leander mit dem Körperfluch belegt worden war. Der Körperfluch war eine Schande, und Leander hatte keine Ahnung, was seine Kollegen mit ihm anfangen würden, wenn sie davon erfuhren. Seine Familie hatte ihn seit der Verdammnis nicht mehr aufgesucht. Er lebte bei mir in meinem Zimmer und schlief neben mir auf dem Boden, wenn er nicht gerade seinen nächtlichen Freiflug unternahm.
    Aber jetzt hatten wir wieder eine Situation, in der wir vorsichtig sein mussten. Seppo war dabei kein Problem. Seppo hatte keinen Wächter mehr, das wusste ich von Leander und ich glaubte es ihm. Seppo wurde demnächst sechzehn und war extrem achtsam. Er war immer derjenige, der uns zurückhielt, wenn wir übermütig wurden. Ich hatte noch nie erlebt, dass er stürzte oder auch nur ins Wanken geriet. Seppo war cool, aber er machte keine Dummheiten. Ich hingegen zog Dummheiten magisch an. Das war immer schon so gewesen. Die Notaufnahme im Krankenhaus war quasi mein zweites Zuhause.
    Serdan und Billy aber waren erst vierzehn und hatten ihre Körperwächter noch. Deshalb durften Leander und ich auf keinen Fall miteinander sprechen, wenn ich mich mit den Jungs traf. Das war mir sehr recht, denn ab und zu musste ich mich von Leander erholen. Er konnte entsetzlich anstrengend sein. Manchmal nervte er mich so sehr, dass ich ihn am liebsten auf den Mond geschossen hätte. Außerdem war er faul und eingebildet.
    Trotzdem blieb er bei mir und irgendwie hatten wir uns ein bisschen aneinander gewöhnt. Er wollte mich deshalb weiterhin beschützen, weil er hoffte, dass seine Familie es irgendwann bemerken und ihn zur Belohnung für sein Pflichtgefühl von seiner Verdammnis befreien würde. Eigentlich warteten wir fast jeden Tag darauf, dass sich jemand aus seiner Truppe zeigte.
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