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Eine Leiche zu Ferragosto

Eine Leiche zu Ferragosto

Titel: Eine Leiche zu Ferragosto
Autoren: Diana Fiammetta Lama
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rasiert und bei der zweiten Tasse Kaffee. Ohne ein Wort der Entschuldigung hatte er den Stuhl geräumt und weiter an Panguros ungenießbarem Kaffee genippt.
    Er selbst fühlte sich zerknittert und mürrisch, grau und vom Alter gebeugt, wie im Übrigen jeden Morgen bis zur vierten oder fünften Tasse Kaffee. Der Freund hingegen wirkte nicht im Geringsten angekratzt von dem Trubel der vergangenen Nacht und hatte zudem auch noch etwas herausgefunden. Was ihm fehlte, war die positive Lebenseinstellung, attestierte sich der Maresciallo. Vielleicht sollte er lieber von der Fünf zur Sieben wechseln, und in der Zwischenzeit zündete er sich, nur um Gnarra zu ärgern, der zu alledem auch noch Grün wählender Gesundheitsfanatiker war, eine Zigarette an.
    Viel zu zufrieden, um etwas mitzubekommen, fuhr jener fort: »Diese Carmela ist eine schöne Frau um die dreißig oder etwas darüber. Brünett, gute Figur, das Äußere passt, habe ich schon mit dem Leichenschauhaus abgeklärt.«
    Santomauro blies ihm mit unerschütterlicher Ruhe den Rauch ins Gesicht.
    »Sie hat ganz früh geheiratet, Aniello Frangiello, besser bekannt als ’o Fravicino  1 . Dieses arme, mickrige Männlein – nie war ein Spitzname treffender – war quasi gleich nach der Hochzeit zum Malochen nach Venezuela gegangen, während sie hierblieb, offiziell um die alte, kranke Mutter zu pflegen, inoffiziell um äußerst erfolgreich den Kopf des armen Fravicino mit unzähligen Hörnern zu überziehen. Zwei Mal kam er nach Hause in all den Jahren, und zwei Mal fuhr er völlig verzweifelt und gedemütigt nach Caracas zurück. Nun jedoch sieht es so aus, als wolle er endgültig nach Italien zurückkehren. Das Emigrantenleben sei zermürbend, hat er seinen Freunden anvertraut, außerdem hat er ein ganz ansehnliches Landgut geerbt, nur Carmela stellt ein Problem dar. Die Puppe ist in allen Bars und Diskotheken der Gegend berüchtigt, nicht vorbestraft, wohlgemerkt, aber sie tut eben, was sie will, und wenn ein Mann ihr gefällt, nimmt sie ihn ohne viel Federlesen mit nach Hause. Nun könntest du sagen, was ist schon dabei, wenn der Ehemann in Caracas ist?«
    Santomauro schwieg, von Nikotinschwaden umhüllt. Allmählich wachte er auf, doch seine Stimmung war und blieb düster.
    »Aber es ist sehr wohl was dabei, denn ’o Fravicino ist nun schon seit einigen Wochen wieder zurück, und Carmela hat ihren Lebensstil nicht geändert, kommt frühmorgens oder gar nicht nach Hause. Der arme Mann war verzweifelt, und er hat zu seinen Freunden gesagt, eines Tages würde er sie noch erschlagen. Was er dann ja auch getan zu haben scheint.«
    Beim Blick in Gnarras selbstgerechte Miene fragte sich der Maresciallo, warum es immer ausgerechnet die Hurenböcke und Aufreißer waren, die sich lauthals empörten, wenn eine Frau es wagte, sich ebenso zu verhalten wie sie.
    »Was meinst du, Simone, könnte sie’s sein? Die Nachbarn sagen, sie hätten sie seit Tagen nicht gesehen, und auch ihr Mann ist unauffindbar. Ist das eine heiße Spur?«
    Und die Frage dahinter schien zu lauten: Habe ich das nicht gut gemacht? Das rührte Santomauro nun doch. »Aber ja, Pedro, die Spur glüht ja geradezu, wir werden mal ein bisschen herumfragen. Das war wirklich gute Arbeit.«
    Und während er Gnarra mit freudestrahlendem Gesicht hinausgehen sah, fühlte sich der Maresciallo, warum auch immer, wieder mit der Welt versöhnt.
     
    Zwei Stunden später sah das anders aus.
    Von Aniello und Carmela Frangiello keine Spur.
    Stattdessen stapelten sich auf seinem Schreibtisch ein Haufen Papiere und Zettel: Faxe, Telefonnotizen und Kopien von alten Berichten und Anzeigen.
    Im Gebiet um Salerno waren im vergangenen Monat zwölf Frauen verschwunden. Zu viele, dachte er entmutigt.
    Er begann das Material zu durchforsten. Einige ließen sich von vornherein ausschließen, wie die zweiundvierzigjährige Mutter von sechs Kindern, die mit den Ersparnissen aus der Zuckerdose auf und davon war. Auf den Fotos sah man, dass sie mindestens hundert Kilo wog. Ganz offensichtlich hatte die arme Frau beschlossen, dass dies der Moment war, einmal nur an sich selbst zu denken. Dann war da die Studentin, deren Eltern die Vermisstenanzeige aufgegeben und zwei Tage später wieder zurückgezogen hatten, eine Ausreißerin, die Liebeskummer oder Stress mit Mama und Papa hatte. Zwei psychisch kranke Frauen waren beide wieder aufgefunden worden, eine spazierte halbnackt über die Strandpromenade von Salerno, die andere lag überfahren
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