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Eine Leiche zu Ferragosto

Eine Leiche zu Ferragosto

Titel: Eine Leiche zu Ferragosto
Autoren: Diana Fiammetta Lama
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Milch und vier Brötchen, bitte. Haben Sie schon gehört?«
    »Ja ja, Signora, mittlerweile passieren so schlimme Geschichten nicht mehr nur in der Stadt. Die mit Öl gebackenen Brötchen?«
    »Ja, danke. Es heißt, sie war in Stücke geschnitten und über den ganzen Strand verteilt.«
    »Das glaube ich nicht, ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass sie noch so gut wie ganz war, nur ein paar von diesen gewissen Teilen fehlten … na, Sie wissen schon welche. Darf es sonst noch etwas sein?«
    »Ein Glück, ich wollte schon den Strand wechseln. Stellen Sie sich vor, plötzlich eine Hand oder ein Ohr unterm Sonnenschirm zu finden … Geben Sie mir noch dreihundert Gramm Schinken, aber dünn geschnitten.«
    »Hier, bitte sehr, hauchdünn. Wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, es könnte das Monster von Florenz  1 sein. Vielleicht macht es ja hier Urlaub.«
    »Um Himmels willen, da kriege ich gleich eine Gänsehaut. Haben Sie auch Myrte? Aber frische, nicht wie vorgestern.«
     
    »Verschwunden. Gustavo ist einfach verschwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Seit heute Morgen kann ich ihn nicht finden, Simone, wie soll ich das nur den Kindern sagen? Ich bin verzweifelt.«
    Santomauro nickte mit düsterer Miene.
    Die Lage war wirklich ernst, die Manfredi-Kinder liebten Gustavo heiß und innig, das schneeweiße Angorakaninchen, das seit einigen Wochen zur Familie gehörte. Gerne hätte er Maria Pia getröstet, die händeringend vor ihm saß, doch er wusste, dass bei Vermisstenanzeigen die ersten vierundzwanzig Stunden entscheidend waren, und ihm schwante Übles. Gustavo war noch nicht ganz ausgewachsen gewesen, aber dennoch schön dick und zart. Es sah nicht gut aus für ihn.
    »Ich verspreche dir, ich tue, was ich kann, aber sag Totò lieber nichts davon, du kennst ihn ja, er geht gleich in die Luft und könnte etwas Dummes sagen oder tun. Und wenn ihr, du und die Kinder, es ihm verschweigt, merkt er nicht einmal, dass Gustavo nicht mehr da ist.«
    Maria Pia versprach es, die Augen tränengefüllt, dann rang sie sich ein zittriges Lächeln ab und stand anmutig auf.
    Sie war eine wirklich schöne Frau, von einer üppigen Schönheit, mediterran und reif wie eine sonnengewärmte Frucht. Am liebsten trug sie Kleider in warmen Farben, Orange, Gelb oder Rot, die ihre Beine und ihr gebräuntes Gesicht betonten.
    In der Kaserne hatten sie und die Kinder, drei kleine Rabauken zwischen zwei und sechs Jahren, bisher keine größeren Probleme gehabt. Gustavo war schnell zum Maskottchen der Carabinieri geworden, und dem Maresciallo gefiel der Gedanke gar nicht, einer von ihnen könnte für sein Verschwinden verantwortlich sein. Er wollte lieber glauben, dass das unvorsichtige Tierchen sich Hals über Kopf in die umliegenden Büsche geschlagen hatte.
    Aber Gustavo war alles andere als unvorsichtig, er war einstilles, ruhiges Pummelchen, und Santomauro wusste, dass er den faulen Apfel im Korb suchen musste.
    In der Kaserne lebten fünfzehn Männer, plus er selbst, Gnarra und Manfredi, allesamt seit mindestens drei Jahren in Pioppica, bis auf Bancuso und Licalzi, die im Frühjahr dazugestoßen waren. Mit finsterer Miene stand der Maresciallo auf.
     
    Der erste Messerstich: Staunen auf ihrem Gesicht, dann Schmerz, Unglauben, Erschrecken. Und die Angst. Und das Blut, viel Blut, dunkel und zäh, während das Messer tiefer fuhr. Dreiundvierzig Stiche, jeder einzeln gezählt. Eins, für deine Haare. Zwei, für deine Augen. Drei, für den Busen. Vier, für die Hände, bis es nichts mehr zu zählen gab.
     
    »Ein Cœur. Wisst ihr schon das Neuste?«
    »Ein Pik. Was denn, hier passiert doch sowieso nie was.«
    »Drei Cœur. Was ist denn los, hat Tina sich Strähnchen machen lassen?«
    »Passe. Nun sag schon, Evelina, spann uns nicht auf die Folter.«
    »Sechs Cœur. Sie haben eine Leiche gefunden, eine Frauenleiche, völlig unkenntlich, unter den Algen am Strand versteckt. Ermordet.«
    »Passe. Um Himmels willen, das ist ja furchtbar! Und wer …?«
    »Passe. Ermordet, du liebe Güte, wer hätte das gedacht, so etwas hier …«
    »Ich passe. Meinst du, wir sollten Pippo informieren? Also, Evelina, sechs Cœur, das sehe ich wirklich nicht.«
     
    Wenn er nervös war, musste Santomauro einfach raus an die frische Luft.
    Er hatte keine Zeit, um bis ans Meer hinunter zu fahren, außerdem waren die Strände um diese Zeit ohnehin noch überfüllt mit Badegästen. Er sehnte sich nach Ruhe, also schlug er zu Fuß einen Pfad ein, der sich
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