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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition)
Autoren: Elfriede Fuchs
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vor der alle gleichermaßen Respekt hatten.
Hinter ihrem Rücken wurde heimlich über sie getuschelt – Eurydika musste früher
einmal Schlimmes getan haben, aber Alexander bekam nie heraus, was es war.
Dabei schien seine Großmutter äußerlich nur eine korpulente alte Dame mit
grauem Haar und Hängebacken zu sein.
    Eines Tages im Herbst, als Alexander im Garten spielte, ließ
seine Mutter ihn hereinrufen. Neben ihr stand ein unbekannter Junge, viel älter
und größer als er selbst.
    „Alexander, ich möchte dir jemanden vorstellen“, sagte
Olympias. „Das ist dein Neffe. Er heißt ebenfalls Alexander.“
    Sofort wurde ihm klar, dass Olympias gar nicht mit ihm gesprochen
hatte, sondern mit dem anderen Jungen. Erst jetzt wandte sie sich ihrem Sohn
zu. „Alexander, das ist dein Onkel, mein jüngerer Bruder.“
    Der andere Alexander sah nicht aus wie jemand, der sein Onkel
sein konnte, denn er war viel jünger als Olympias, auch wenn er ihr
andererseits ziemlich ähnlich sah. Wie sie hatte er blonde Haare und helle
Augen.
    „Alexander ist gerade aus Epeiros gekommen, um in Pella
erzogen zu werden. Wenn er erwachsen ist, wird er König der Molosser werden.“
Olympias gab ihrem Bruder einen Schubs in den Rücken. „Los, begrüße deinen
Neffen! Schließlich wurde er nach dir benannt.“
    Ohne erkennbares Interesse sah Olympias’ Bruder auf seinen
Namensvetter herab und reichte ihm die Hand. Sein Gesichtsausdruck wirkte unendlich
gelangweilt. Immerhin war er bereits zwölf Jahre alt, während sein Neffe erst
sechs war.

5
    Lanika war ganz anders als seine Mutter. Klein und dunkel,
mit einem hübschen, pausbackigen Gesicht und warmen braunen Augen. Im Gegensatz
zu Olympias war an ihr nichts Geheimnisvolles. Sie war natürlich keine
Dienerin, sondern eine adlige Dame, die den Dienst im Haus des Königs zwar als
Ehre betrachtete, aber deshalb nicht gleich vor Ehrfurcht erstarrte. Folglich
zog sie bei Alexander ganz andere Saiten auf als seine Mutter, die ihn nach
Strich und Faden verwöhnte.
    Manchmal kam Lanikas jüngerer Bruder Kleitos und schmuggelte
sein Pferd in den Garten. Er war ein junger Offizier bei der Reiterei,
schneidig und selbstbewusst. Kleitos setzte Alexander auf den Rücken seines
Pferdes und ließ ihn reiten, während er das Tier am Zügel führte, immer unter Lanikas
strenger Aufsicht. Sie machte sich Sorgen, ihr Schützling könne vom Pferd
fallen und sich den Hals brechen. Schimpfend rannte sie neben ihnen her, bis es
ihnen gelang, sie abzuhängen.
    Kleitos hatte für Lanikas Besorgnis nur Gelächter übrig.
„Sei nicht so zimperlich! Ein Kind ist schließlich kein Tonkrug, der gleich
zerbricht, wenn er mal runterfällt.“
    „Das heißt aber nicht, dass du ihn vom Pferd fallen lassen
sollst! Pass gefälligst auf! Halt ihn fest! Gib ihm auf keinen Fall die Zügel!“
    Natürlich kam es, wie es kommen musste: Allen Vorsichtsmaßnahmen
zum Trotz fiel Alexander eines Tages vom Pferd. Glücklicherweise landete er im
weichen Gras. Kleitos hob ihn auf und überschüttete ihn mit Fragen. „Bist du in
Ordnung? Hast du dir wehgetan?“
    Ehe Alexander antworten konnte, kam Lanika gerannt und riss
ihn aus Kleitos’ Armen. Erst überzeugte sie sich, dass ihrem Schützling nichts
weiter fehlte, dann zog sie eine Sandale aus und prügelte damit auf ihren Bruder
ein. „Du Grobian! Habe ich dir nicht gesagt, du sollst aufpassen?“ Kleitos
lachte und hielt sich schützend die Hände über den Kopf, bis Lanika sich wieder
abgeregt hatte.
    Trotz dieses Vorfalls durfte Alexander, als er größer wurde,
gelegentlich sogar allein reiten, wenn auch ausdrücklich nur im Schritttempo.
Eines Tages gab er dem Pferd einen Klaps aufs Hinterteil und preschte los, über
Stock und Stein quer durch den Garten. Er hatte Glück, dass er nicht
herunterfiel, ehe es Kleitos gelang, ihn wieder einzufangen. Lanika war
stocksauer und versohlte Alexander den Hintern. Zum Trost schenkte Kleitos ihm
ein selbst geschnitztes Holzschwert. Er gab auch Proteas eins, Lanikas Sohn,
der manchmal in den Palast kam, um seine Mutter zu besuchen. Er war genauso alt
wie Alexander und ein interessanterer Spielkamerad als Arrhidaios und die
anderen Kinder im Palast. Begeistert droschen die beiden mit ihren
Holzschwertern aufeinander ein, bis sie kaputtgingen und Kleitos ihnen neue machen
musste.
    Kleitos war es auch, der Alexander zuerst von Herakles erzählte.
Herakles hatte gegen Löwen und Keiler gekämpft, gegen menschenfressende Pferde
und
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