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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition)
Autoren: Elfriede Fuchs
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intensiver, fast betäubender Duft ging von ihr aus. „Weißt
du, dass seine Mutter eine Göttin war?“
    „Eine richtige Göttin?“
    „Eine Meeresgöttin! Sie heißt Thetis und wohnt mit ihren
neunundvierzig Schwestern, den Töchtern des Nereus, in einem Palast auf dem
Grund des Meeres. Eines Tages stieg sie von dort herauf zur Welt der
Sterblichen, um einen von ihnen zu heiraten. Sein Name war Peleus.“
    Die Augen des Jungen öffneten sich weit, als er sich vorstellte,
wie die Göttin aus den Fluten auftauchte. Das Wasser war blaugrün und glasklar
und glitzerte im Sonnenlicht. Vor seinem inneren Auge sah er, wie Thetis zum
sandigen Strand hinaufwatete, während die Gischt rauschend um ihre Hüften, dann
um Knie und Füße spielte. Wasser rann aus ihren Haaren, die ihr tief in den
Rücken fielen. Die Göttin hatte goldenes Haar und helle, strahlende Augen,
genau wie seine Mutter. Seine Mutter kam ihm ebenfalls vor wie eine Göttin. Der
lange Chiton, den sie an diesem Tag trug, war blaugrün wie das Meer, und der
breite Saum schimmerte golden wie der Strand, zu dem die Göttin hinaufwatete.
    „Nachdem sie Achilleus geboren hatte, kehrte Thetis ins Meer
zurück. Ihr Sohn aber blieb in der Welt der Menschen. Er wurde von Cheiron aufgezogen,
dem Zentauren. Du weißt doch, was ein Zentaur ist?“
    „Ein Wesen, halb Mensch, halb Pferd. Und später zog Achilleus
in den Trojanischen Krieg und wurde der größte Held aller Zeiten!“
    Sie lächelte wieder. „Achilleus vollbrachte zahllose
Heldentaten, ehe er vor Troja fiel. Doch er hatte einen Sohn namens
Neoptolemos, der nach dem Krieg in meine Heimat kam, nach Epeiros, und dort ein
Königreich gründete. Sein Sohn wiederum war Molossos, nach ihm wird unser Stamm
die Molosser genannt. Die Nachfahren des Achilleus herrschen in Epeiros seit
vielen Generationen, bis zu meinem Vater, deinem Großvater. Er hieß ebenfalls
Neoptolemos. Du stammst also von einer langen Kette von Königen ab. Aber das
ist noch nicht alles.“ Sie machte eine Pause, um es spannend zu machen. „Achilleus
war der Sohn von Peleus und Peleus der von Aiakos. Deshalb nennt man unser
Königshaus die Aiakiden. Und willst du wissen, wer Aiakos war?“
    Er nickte eifrig.
    „Ein Sohn des Zeus!“, verkündete sie stolz, und der Junge
riss die Augen auf. „Das bedeutet, wir beide, du und ich, stammen von Zeus ab,
dem Herrscher des Olymps, dem Vater der Götter und Menschen!“ Vorsichtig nahm
sie sein Kinn in die Hand und brachte ihr Gesicht ganz dicht an seines. Der
Duft, der von ihr ausging, überwältigte ihn fast. „Vergiss niemals, Alexander:
Du stammst nicht nur vom größten Helden der Griechen ab, nicht nur von Königen,
sondern sogar von Göttern und Göttinnen! Vom mächtigen Zeus selbst!“
    Olympias setzte ihn ab und stand auf. „Komm, ich zeige dir
etwas.“
    Sofort war er an der Tür, voller Erwartung, wie immer, wenn
er die Gemächer seiner Mutter verlassen durfte. Zwei Dienerinnen schoben den
Riegel zur Seite und öffneten die Tür aus bronzebeschlagenem Holz. Olympias zog
den Schleier über den Kopf, nahm Alexander bei der Hand und trat mit ihm hinaus
in die Vorhalle. Sie überquerten den von Säulen umstandenen Innenhof und
gelangten in ein weiteres, größeres Peristyl. Schließlich machten sie halt vor
einer zweiflügeligen Tür. Die Dienerinnen hatte Mühe, einen der schweren Flügel
aufzudrücken.
    Der Raum dahinter war so groß und prächtig, wie Alexander
bis dahin noch keinen gesehen hatte. Das musste einer der königlichen
Bankettsäle sein. Der Fußboden war von einem Mosaik aus Kieselsteinen bedeckt.
Die geschnitzte Holzdecke glänzte, als sei sie aus Gold. Das Schönste waren
jedoch die Bilder an den Wänden. Die Sonne, die durch die Fenster unterhalb der
Decke fiel, tauchte sie in ein geheimnisvoll schimmerndes Licht.
    Olympias nahm wieder seine Hand. „Die Bilder in diesem Saal
wurden vor fünfzig Jahren von Zeuxis gemalt, dem größten Maler seiner Zeit. Sie
sind in ganz Griechenland berühmt.“
    Fasziniert glitten seine Augen über das Gemälde, während er
mit seiner Mutter langsam daran entlangging. Es zeigte Menschen und Götter,
Tiere und Fabelwesen. Obwohl es schon so alt war, leuchtete es in intensiven
Farben und glühte im Sonnenlicht. Er war wie verzaubert. Schließlich blieben
sie vor einer Stelle stehen, an der zwei kämpfende Krieger abgebildet waren.
    „Das ist das Bild, das ich dir zeigen wollte. Es zeigt
unseren Ahnherrn Achilleus, wie er gegen
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