Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition)
Autoren: Elfriede Fuchs
Vom Netzwerk:
Hektor kämpft, den Sohn von Priamos,
dem König von Troja.“
    Achilleus hatte den rechten Arm hoch über den Kopf erhoben
und zielte mit dem Speer auf seinen Gegner; am anderen Arm hielt er einen
runden Schild. Davon abgesehen war er nackt. Er sah sehr jung aus, hatte
langes, blondes Haar und ein schönes, bartloses Gesicht. Hektor schien ein
wenig älter zu sein und hatte einen Bart, aber er war ebenso bewaffnet wie
Achilleus und natürlich ebenso nackt.
    Alexander streckte die Hand aus, wagte aber nicht, die
Malerei zu berühren. „Warum will er Hektor töten?“
    „Weil Hektor seinen besten Freund getötet hatte, Patroklos.
Wahnsinnig vor Schmerz ging Achilleus hinunter zum Strand. Seine Mutter hörte
ihn weinen. Thetis stieg aus dem Meer, setzte sich zu ihm und strich ihm tröstend
über das Haar. Als Göttin konnte sie in die Zukunft sehen, und sie warnte ihren
Sohn, dass er selbst sterben würde, wenn er an Hektor Rache nahm. Aber
Achilleus hörte nicht auf sie. Am nächsten Tag forderte er Hektor heraus und
tötete ihn.“
    „Obwohl er wusste, dass er dann selbst sterben musste?“
    „So war es seine Bestimmung. Bei seiner Geburt wurde ihm
geweissagt, er würde der größte Held der Griechen werden und ewigen Ruhm
erlangen. Doch er würde jung sterben. Aber das Schicksal ließ ihm eine Wahl. Er
konnte auch ein langes Leben wählen, doch dann würde der prophezeite Ruhm ihm
niemals zuteilwerden. Achilleus wusste, dass er sich eines Tages entscheiden
musste.“
    Alexander verstand. Achilleus hatte den Ruhm gewählt, und
der Preis dafür war ein früher Tod gewesen. Er legte den Kopf in den Nacken und
sah nach oben, in das Gesicht seines Ahnherrn. Es war schön und stolz, aber
auch traurig, denn er wusste, dass er dem Tod geweiht war.

2
    Jeden Morgen brachte seine Mutter auf ihrem Hausaltar ein Opfer
dar. Sie legte Blumen, Früchte oder Kuchen auf den Stein und goss Wein darüber,
manchmal auch Milch oder Honig. Olympias opferte den zwölf olympischen Göttern
und vielen anderen Gottheiten, doch am meisten verehrte sie Zeus und Dionysos –
und die Kabiren, die Großen Götter, deren Kult geheim war und deren Namen man
nicht aussprechen durfte.
    „Hier, nimm etwas davon und opfere es den Göttern!“
    Olympias legte Alexander die Hand auf die Schulter. Pyrrha,
die jüngere der beiden Dienerinnen, die in alle Geheimnisse seiner Mutter
eingeweiht waren, hielt ihm ein silbernes Gefäß mit seltsamen braunen Brocken
hin. Sie waren von unregelmäßiger Form und sahen aus wie kleine Steine. Er nahm
ein paar davon in die Hand und staunte, wie leicht sie waren.
    „Das ist Weihrauch. Er kommt von weit her, aus einem Land
namens Arabien, und ist sehr, sehr kostbar.“
    Er wusste nicht wo Arabien lag, und die harzigen Brocken
kamen ihm auch nicht besonders kostbar vor. Ratlos starrte er auf sie herab und
rollte sie zwischen den Fingern.
    „Du musst sie ins Feuer werfen“, krächzte die alte Gorgo mit
ihrer heiseren Stimme. Er sah zu dem Bronzebecken vor dem Altar, in dem ein
Feuer brannte. Kurzentschlossen warf er die Brocken hinein. Die Flamme loderte hoch,
eine Rauchwolke stieg auf, ein intensiver, fremdartiger, aber faszinierender
Duft verbreitete sich. Er schloss die Augen, atmete tief ein und nahm ihn in
sich auf.
    „Die Götter lieben den Duft von Weihrauch“, erklärte Olympias.
„Wirf ruhig mehr ins Feuer. Den Göttern gegenüber darf man nicht geizig sein.“
    In der Nähe des Hausaltars wohnten auch Olympias’ Schlangen
in ihren Tonkrügen. Ab und zu holte sie eine von ihnen hervor, damit Alexander
sie anfassen konnte und lernte, keine Angst vor ihr zu haben. „Siehst du, wie
schön sie ist? Wie ihre Schuppen schillern? Manche Schlangen sind giftig, und
die solltest du in Ruhe lassen. Aber die meisten tun uns Menschen nichts, im
Gegenteil, sie schützen unser Heim vor Unheil. Früher einmal hatte jedes Haus
seine eigene Hausschlange als Schutzgeist.“
    Seinem Vater waren die Schlangen unheimlich. Alexander bekam
ihn nur selten zu Gesicht, einen großen, fremden Mann mit dunklen Haaren,
dunklem Bart und tiefer, dröhnender Stimme. Er besaß nur ein Auge, weshalb er
Alexander unheimlicher vorkam als die Schlangen. Ursprünglich war er für ihn
nur der König. Erst nach und nach wurde ihm klar, dass er auch sein Vater war,
ja, er hatte anfangs nicht einmal eine Vorstellung davon, was ein Vater
überhaupt war.
    Eines Nachts wachte er auf, weil von unten lautes Geschrei
heraufscholl. Auch Lanika, seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher