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Eine Katze im Wolfspelz

Eine Katze im Wolfspelz

Titel: Eine Katze im Wolfspelz
Autoren: Lydia Adamson
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eine Pistole.«
    »Haben Sie ein Handy?«
    »Nein.«
    »Dann würde ich Ihnen vorschlagen, daß Sie in sicherer Entfernung von der Höhle bleiben. Wenn Sie etwas Verdächtiges bemerken, rufen Sie einfach die Polizei von einem der Telefone im Park an. In der Ramble gibt es eine ganze Reihe.«
    Es fing wieder an zu regnen. Dann war leises Donnern zu hören. Wir saßen zusammen in diesem Coffee-Shop, schwiegen uns an, aßen unsere süßen Brötchen auf und tranken den Kaffee aus. Irgendwie kam es mir vor, als würde ich Judy Mizener schon seit Jahren kennen.
    Plötzlich reichte sie mir über den Tisch ihre Hand. Ich nahm sie und hielt sie fest.
    »Wir brauchen beide Glück«, sagte sie freundlich und lächelte.
    »Ja«, stimmte ich zu, »wir brauchen eine ganze Menge Glück.«
    Sie ging zuerst. Eine Viertelstunde später verließ ich den Coffee-Shop.

20
    Bushy weckte mich, indem er behutsam über meinen Kopf stieg. Ich geriet in Panik, stand schnell auf und sah auf die Uhr. Dann sank ich wieder zurück auf mein Bett. Es war erst drei Uhr nachmittags. Die Nachrichtensendung im Fernsehen würde erst um zehn Uhr abends beginnen. Vorher brauchte ich nicht in den Park zu gehen.
    Langsam wurde mir doch ein bißchen mulmig. Würde der Plan mit der Fernsehsendung funktionieren? Würde der Mörder oder die Mörderin kommen? War die Öffnung der Höhle mit den Wandgemälden wirklich so wichtig für den Täter? Würde es im Park nicht doch zu gefährlich für mich sein?
    Ich war zu einem sehr intelligenten Schluß gekommen. Ich würde auf keinen Fall, unter keinen Umständen, versuchen, den Eindringling festzunehmen, wenn er denn auftauchte. Schließlich war ich nicht gewalttätig. Und ich hatte keine Waffe. Alles, was ich brauchte, um meine Theorie zu bestätigen oder zu erklären und um dieses ganze fürchterliche Durcheinander endlich zu einem Abschluß zu bringen, war ein Gesicht oder ein Name. Wenn ich den Eindringling nicht kannte, würde ich mich an genug Einzelheiten erinnern, um ein Phantombild anfertigen zu lassen, und Judy Mizener und die Polizei würden den Rest erledigen.
    Immer, wenn ich an einen zweifelhaften Punkt in meinem Leben gelange, fange ich an, die Wohnung zu putzen. Und das war es, was ich um vier Uhr nachmittags tat. Gott sei Dank lehne ich Staubsauger ab, und das gab mir Gelegenheit, zwei angenehme Stunden damit zu verbringen, einen Teppichkehrer hin und her zu schieben, um all die Katzenhaare aufzunehmen. Wie üblich war dies ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen. Der Teppichkehrer nahm überhaupt nichts auf. Die Katzenhaare und anderer Dreck wurden lediglich zu kleinen Knäueln gerollt, die ich dann mit der Hand aufklauben konnte. Um sieben Uhr aß ich ein hartgekochtes Ei, ein Stückchen Käse, eine Banane und ein altes Stück Erdbeerkuchen.
    Um acht packte mich wieder die Angst. Was war, wenn sich meine Theorie hinsichtlich der Morde als falsch erwies? Warum hatte ich niemanden eingeweiht? Warum hatte ich alles für mich behalten? Lag es daran, daß ich so sehr von mir selbst überzeugt war, daß ich weder Zustimmung noch Kritik brauchte? Viele Aspekte waren mir schlagartig klar geworden, als ich diese merkwürdigen Wandgemälde entdeckt hatte. Aber mein Verständnis und meine Interpretation konnten von dem immer noch vorhandenen Groll gegen Retro wegen des Rauswurfs beeinflußt worden sein. Warum wollte ich es auf jeden Fall für mich behalten, wie eine Art geheimen Schatz?
    Die Zeit verging sehr langsam. Sie hüllte mich ein. Um neun Uhr begann ich ein wenig zu zittern und bekam Schwierigkeiten beim Luftholen. War das Lampenfieber? Ich mußte lachen. Seit meinem ersten Auftritt auf einer Bühne in St. Paul hatte ich mich nicht mehr so elend gefühlt.
    Damals war meine Großmutter von ihrer Milchfarm gekommen, um mich auf der Bühne zu sehen. Sie sah, in welch fürchterlichem Zustand ich war. Sie sagte, wenn sie aufgeregt sei, würde sie in der Bibel lesen. »Was für eine Bibel, Oma?« fragte ich sie. Und mit einem verlegenen, verschmitzten Gesichtsausdruck holte sie ein Buch heraus und gab es mir. Es war keine Bibel. Es war ein Buch mit dem Titel Vogelbeobachtung in Florida, ein Roman über eine alte Frau, die auf einer unwirtlichen Milchfarm in Minnesota lebte und davon träumte, eines Tages ein paar Wochen in Florida zu verbringen, auf der Suche nach exotischen Vögeln. Aber dazu kam es nie. Seit diesem Abend vor so vielen Jahren in St. Paul hatte ich keine Blick in dieses Buch geworfen. Aber
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