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Eine Katze im Wolfspelz

Eine Katze im Wolfspelz

Titel: Eine Katze im Wolfspelz
Autoren: Lydia Adamson
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andere Möglichkeiten haben. Sie werden sogar Detektivinnen mit origineller Arbeitsweise auf Ihrer Gehaltsliste behalten können. Sie haben dabei doch nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen. Und das ist wirklich unsere letzte Chance, dazu beizutragen, daß diese armen Toten in Frieden ruhen können.«
    Das war ein guter Auftritt. Und eine wirksame Rede. Ich hatte Judy zu meiner kleinen Schwester gemacht und ihr sowohl tiefschürfende als auch anregende Weisheiten über sich und die Welt vermittelt. Der Witz daran war, daß sie mit der Welt wesentlich besser zurechtkam, als ich jemals hoffen konnte.
    Sie sah erst mich und dann Tony an und betrachtete dann lange die Wandgemälde.
    »Okay, wir versuchen es«, sagte sie schließlich in einem Tonfall, der forsch und professionell klingen sollte.
    Eine Stunde später saßen Tony und ich an einem Tisch ganz hintern im All State Café auf der West Seventy-second Street. Ich war sehr müde, aber auch sehr hungrig. Tony trank einen Brandy, ich ein Bier.
    »Früher gab es hier immer einen großartigen Tomatensalat«, sagte Tony, während er die Karte las. Ich bestellte einen Hamburger, er ein Sandwich mit Geflügelsalat.
    »Ich hoffe, du weißt, was du tust, Alice«, sagte Tony mit einem leichten Grinsen auf seinem immer noch zerschnittenen Gesicht.
    »Was meinst du denn dazu?«
    Er dachte eine Weile nach und drehte dabei sein Brandyglas in der Hand. Das Restaurant füllte sich langsam.
    »Ich meine gar nichts mehr, Alice. Ich bin wieder beim Theater, hast du das vergessen? Ich lebe nur noch von reiner Bitterkeit.«
    »Was macht dir denn Sorgen, Tony?«
    »Du meinst außer Verwirrung und Müdigkeit und Frustration und unerwiderter Liebe?«
    »Wir haben keine richtige Beziehung, Tony. Wir können nicht alle zwölf Stunden miteinander ins Bett gehen.«
    »Eine ganz schön altmodische Antwort, Alice.«
    »Im Grunde meines Herzens bin ich eine altmodische Frau, Tony.«
    »Genau. Und ich bin Jimi Hendrix.« Er trank seinen Brandy aus und bestellte einen neuen. Als der Drink gebracht wurde, nippte er daran und meinte: »Sag mir die Wahrheit, Alice. Glaubst du wirklich, daß jemand aufgrund der getürkten Meldung in die Höhle kommen wird?«
    »Ja.«
    »Wer? Der Mörder?«
    Aus irgendeinem Grund keimten in diesem Augenblick mütterliche Gefühle für Tony in mir auf. Ich langte über den Tisch und berührte seine Wange. Er zuckte unwillkürlich zurück; er war überrascht. Dann entspannte er sich. »Na gut, Alice, das war ja eine überwältigende Wohlwollensbezeugung. Ich bin tief gerührt.« Ich lächelte und nahm einen Schluck Bier. Der Hamburger und das Sandwich kamen. Ich ließ langsam etwas Ketchup zwischen die Brötchenhälften fließen.
    »Was wäre, wenn ich dir jetzt sagen würde, daß es vielleicht gar keinen Mörder gibt, Tony?«
    Er wollte gerade sein Sandwich zum Mund führen und hielt mitten in der Bewegung inne.
    »Was?«
    »Du hast doch gehört, was ich gesagt habe.«
    »Du meinst, diese ganzen Leute sind gar nicht tot.«
    »O doch, die sind mausetot.«
    »Was meinst du denn dann?«
    Ich hatte schon zuviel gesagt. »Iß dein Sandwich, Tony. Ich muß über etwas Wichtigeres mit dir reden.«
    Er nahm einen großen Bissen von seinem Sandwich, kaute gründlich, schluckte und nahm einen Schluck Brandy.
    »Ich habe da so eine Vorahnung«, sagte er. »Du willst mich wieder mal auf eine Reise schicken.«
    »Genau.«
    »Kann ich mein Sandwich noch aufessen?«
    »Natürlich. Und dann besuchst du Billy Shea.«
    »Wer ist das?«
    »Der Typ, den sie festgenommen haben, weil er verdächtig war, die Tyre-Brüder umgebracht zu haben. Und wenn du mit ihm geredet hast, dann mietest du wieder ein Auto und setzt die Reise fort, die du so plötzlich abgebrochen hast. Du fährst rauf in die Adirondacks, in diesen Ort, der auf der Landkarte Desolate Swamp heißt.«
    »Gnade, Alice.«
    »O, diesmal wird es schon nicht so schlimm werden. Und außerdem werde ich eine Liste mit detaillierten Anweisungen für dich schreiben. Ich kenne euch Theaterleute doch: Ihr habt immer soviel anderes Zeug im Kopf.«

19
    Es goß wie aus Kübeln. Ich stand unter einem Schirm an der Ecke Canal Street und Broadway. Es war halb acht am Morgen, und ich hatte nicht die geringste Ahnung, warum Judy Mizener mich gebeten hatte, mich an einer Straßenecke mit ihr zu treffen anstatt in ihrem Büro bei Retro.
    Sie kam eine Viertelstunde zu spät, und wir gingen in einen chinesischen Coffee-Shop in der Nähe, in dem
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