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Eine Katze im Wolfspelz

Eine Katze im Wolfspelz

Titel: Eine Katze im Wolfspelz
Autoren: Lydia Adamson
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Seite und lächelte. »Gemischt.«
    »Wie gemischt?« fragte ich ein wenig gereizt.
    Sie ignorierte die Frage und führte mich in einen der Flure. »Da sind Ihre drei Umschläge«, sagte sie. Sie lagen auf einem kleinen französischen Kirschholztischchen mit zierlichen Schnitzereien.
    »Einer für jeden Tag, an dem Sie sich nächste Woche um meinen Kater kümmern«, erläuterte Mrs. Salzman. Sie nahm einen der Umschläge und öffnete ihn. Er enthielt einen Hundert-Dollar-Schein.
    Großer Gott! Drei Umschläge! Drei Hundert-Dollar-Scheine! Für dreimal fünfundvierzig Minuten Betreuung eines Katers, den ich bisher nicht zu Gesicht bekommen hatte und vielleicht niemals sehen würde! War diese Frau noch bei Trost? Das war wirklich ein außergewöhnlich hohes Honorar. Das wäre nur angemessen wenn ... ja, wenn es da irgendwelche Schwierigkeiten mit dem Kater gab, die sie bisher nicht erwähnt hatte.
    Ich wollte gerade um eine etwas geringere Summe bitten, als Mrs. Salzman plötzlich mit einer dramatischen Geste den Finger an die Lippen legte und Ruhe forderte.
    Hatte sie Abaelard gehört? Würde der mysteriöse Kater jetzt in Erscheinung treten?
    Wir warteten. Mrs. Salzman schloß die Augen und schien in eine Art erwartungsvolle Trance zu verfallen. Sie war wirklich eine merkwürdige Frau: graues Haar, dünn, ernstes Gesicht, großgewachsen, mit leicht gebeugten Schultern. Aus ihrem Flüstern hatte ich einen ganz leichten österreichischen Akzent herauszuhören geglaubt, und ihr ganzes Verhalten war irgendwie sonderbar, als ob sie ganz weit weg wäre.
    Wir warteten und warteten und warteten. Wo zum Teufel war dieser Abaelard?
    »Vielleicht sollten wir ihn rufen«, schlug ich höflich vor.
    Mrs. Salzman öffnete die Augen. Sie waren vor Schrecken geweitet. Offensichtlich hatte ich etwas Falsches gesagt.
    »Er wird nicht gern gerufen«, sagte sie in mitleidigem Ton, als ob ich - trotz meiner Qualifikation als professionelle Catsitterin - ziemlich begriffsstutzig sei.
    »Was hat er denn gern?« gab ich ein wenig ironisch zurück.
    Mrs. Salzman schien den spöttischen Unterton nicht zu bemerken. »Er mag Blumen und Obst und frischen Truthahn und Musik und Vögel ...« Plötzlich hielt sie in ihrer begeisterten Aufzählung inne, als ob ihr bewußt geworden sei, daß sie Blödsinn redete. Lächelnd führte sie mich zur Tür und sagte, Abaelard brauche mehr als eine Catsitterin - er brauche eine Freundin.
    Ich ging schnellen Schrittes nach Hause und dachte dabei an meine Katzen, an Bushy und Pancho.
    Gewiß, die beiden sind auch ein bißchen sonderbar. Mein Maine-Coon-Kater Bushy ist zweifellos eines der possierlichsten Tiere, die jemals geschaffen wurden. Und Pancho, der Streuner, den ich aus dem Tierheim gerettet habe, nun ja, er ist schon ein wenig gestört. Er verbringt die meiste Zeit des Tages und die ganze Nacht damit, vor irgendwelchen Feinden zu fliehen, die nur in seiner Phantasie existieren.
    Aber meine Katzen sind wenigstens sichtbar! Nicht wie Abaelard. Und meine Katzen sind mir zweifellos sehr zugetan.
    Schnell lief ich die Treppen hoch. Wenn ich an Bushy und Pancho dachte, vermißte ich sie immer gleich schmerzlich - obwohl ich jetzt nicht einmal zwei Stunden von zu Hause weggewesen war.
    »Alice! Da sind Sie ja endlich!«
    Das war Mrs. Oshrin, meine Nachbarin, eine pensionierte Lehrerin.
    Sie stand auf dem Treppenabsatz, flankiert von zwei bedrohlich wirkenden Männern.
    Entführer? Vergewaltiger? Junkies? Penner?
    Ich geriet in Panik. Ich drehte mich ruckartig um und fing an, die Treppen wieder hinunterzurennen, um Hilfe zu holen.
    »Alice!« hörte ich sie rufen. »Warten Sie! Es ist alles in Ordnung!«
    Ich ging zurück, verwirrt und immer noch ängstlich.
    »Das sind Polizisten, Alice! Sie wollen zu Ihnen - nicht zu mir!«
    Vorsichtshalber wartete ich ab.
    »Das Ganze ist streng vertraulich«, sagte Mrs. Oshrin, als ob das alles erklären würde. Aber da war irgend etwas in der Art, wie sie diesen bürokratischen Ausdruck »streng vertraulich« aussprach, das mich ein ahnungsvolles inneres Prickeln verspüren ließ. Aber es war keine Angst.

2
    Während ich mit den Schlüsseln herumhantierte, führte Mrs. Oshrin die Männer zu meiner Tür. Wahrscheinlich hatten sie die falsche Klingel gedrückt, als sie kamen. Der eine war ein kleiner, dicker Typ mit leuchtendroten Haaren. Er stellte sich als John Arcenaux vor, Detective bei der Staatsanwaltschaft von Manhattan.
    Sein Kompagnon war größer, ein drahtiger
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