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Eine hinreißend widerspenstige Lady

Titel: Eine hinreißend widerspenstige Lady
Autoren: Loretta Chase
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Obwohl Mr. Salt nur am Erwerb der prächtigsten Kunstschätze des alten Ägyptens interessiert schien, hatte er auch gelehrte Interessen und selbst schon den einen oder anderen Versuch unternommen, die vertrackte Hieroglyphenschrift zu entziffern. Heute war er indes nicht in der rechten Stimmung.
    Gerade war er von einem viel zu kurzen Urlaub in der ländlichen Umgebung zurückgekehrt, mitten hinein in ein neuerliches Carsington-Fiasko. Rasch hatte ihn wieder der Strudel steter finanzieller Nöte erfasst, und da fiel es ihm verständlicherweise schwer, Mrs. Pembroke mit gelehrter Gleichgültigkeit zu begegnen.
    Dass sie von Kopf bis Fuß in tiefe Trauer gehüllt war - und dass, obwohl ihr ältlicher Ehemann doch schon seit über fünf Jahren tot war! -, vermochte des Konsuls Stimmung auch nicht gerade zu heben. Sie erinnerte ihn an eine obskure Schattengestalt, wie er sie mal auf dem Wandfries eines Königsgrabs gesehen hatte.
    Andererseits hatte der verstorbene Mr. Pembroke alles, das er besessen hatte, seiner jungen Gemahlin hinterlassen, und alles schloss beträchtlichen Landbesitz und ein noch beträchtlicheres Vermögen ein.
    Gelang es Mr. Salt, ein wenig Begeisterung vorzutäuschen, über was immer sie glaubte, das Archdale entziffert habe, wäre sie vielleicht geneigt, einen Teil ihres Vermögens in eine Ausgrabung zu investieren.
    Als sie eintrat, setzte Mr. Salt ein herzliches Willkommenslächeln auf und trat vor, um sie zu begrüßen.
    „Meine liebe, geschätzte Mrs. Pembroke“, sagte er. „Wie schön, dass Sie vorbeischauen! Welch eine Ehre! Gestatten Sie, dass ich Ihnen eine Erfrischung anbiete.“
    „Nein, danke.“ Sie schlug den Witwenschleier zurück, und zum Vorschein kam ihr blasses, herzförmiges Gesicht; die auffällig grünen Augen waren dunkel umschattet. „Für derlei Nettigkeiten bleibt uns keine Zeit. Ich brauche Ihre Hilfe - mein Bruder ist entführt worden.“
    Ahmed war nicht tot. Allerdings war er ziemlich übel zugerichtet worden und zusammengebrochen, sowie er El-Esbekieh erreicht hatte.
    Erst lang nach Sonnenuntergang hatte er gestern wieder genügend Kraft zu sprechen gehabt und war selbst dann kaum zu verstehen gewesen. Als Daphne seine Worte endlich begriffen hatte, war es zu spät gewesen, noch etwas zu unternehmen, denn nachts befanden sich die Straßen Kairos in Händen von Verbrechern und der Polizei, die auf sie Jagd machte.
    Da Europäer in bedrängter Lage sich zudem nicht an einen einheimischen Beamten, sondern an ihren Konsul zu wenden hatten, Mr. Salt und sein Sekretär gestern jedoch nicht anzutreffen gewesen waren, hatte Daphne die ganze Nacht lang unverrichteter Dinge ausharren müssen.
    Nun war sie an Leib und Seele erschöpft und kurz davor, Zustände zu bekommen. Dem durfte sie nicht nachgeben. Frauen, die Zustände bekamen, wurden von Männern zwar beschwichtigt und vertröstet, ihr aber sollte man zuhören. Wollte sie, dass etwas für sie unternommen werde, musste sie zunächst einmal ernst genommen werden.
    Nachdem sie sichtlich erschüttert ihr Anliegen vorgebracht hatte, ließ sie sich von Mr. Salt auf den schattigen Portikus hinausführen, von dem aus man in den Garten blickte. Sie trank von dem starken schwarzen Kaffee, den ein Diener herbeibrachte, und wartete, bis sie sich wieder gefasst hatte.
    Dann erzählte sie die Geschichte, wie erbeten, von Anfang an.
    Ihr Bruder war samt Dienerschaft gestern früh aus Gizeh zurückgekehrt. Kurz nachdem Miles in der Altstadt von Kairo die Fähre verlassen hatte, hatten einige Männer, die sich als Polizisten ausgaben, ihn abgeführt. Als Ahmed ihnen folgen wollte, um herauszufinden, wohin sie seinen Herrn brachten, wurde auch er ergriffen. Die vermeintlichen Polizisten schleppten Ahmed vor die Tore der Stadt, verprügelten ihn und ließen ihn bewusstlos liegen.
    „Ich verstehe nicht, warum sie Ahmed zusammenschlugen und ihn dann einfach dort liegen ließen“, sagte Daphne. „Er glaubt, dass es gar keine Polizisten waren, und die Vermutung liegt nahe. Denn wären es wirklich Hüter des Gesetzes gewesen, warum haben sie Ahmed dann nicht zusammen mit Miles auf die Wache gebracht? Ganz abgesehen davon, dass mein Bruder sich unmöglich irgendeines Verbrechens schuldig gemacht haben kann.“
    „Gewiss wird es sich als ein dummes Missverständnis erweisen“, meinte Mr. Salt. „Manche dieser kleinen Beamten nehmen etwas vorschnell Anstoß an Kleinigkeiten. Auch sind nicht alle so ehrlich, wie es wünschenswert
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