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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte
Autoren: Jojo Moyes
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sein, oder? Bestimmt sollte eins der Geschenke des Alters doch sein, etwas ins rechte Licht rücken zu können. Er hat einst eine Frau geliebt, und am Ende hat sich herausgestellt, dass sie ihn mehr geliebt hat, als ihm bewusst war. So. Das sollte ihm reichen.
    Zwanzig nach zwölf.
    Dann, als er schon aufstehen will, sich die Zeitung unter den Arm klemmt, um nach Hause zu gehen, sieht er, dass ein kleines Auto neben dem Parktor angehalten hat. Er wartet, vor Blicken geschützt, im Halbdunkel des kleinen Unterstands.
    Es gibt eine kleine Verzögerung. Dann geht die Tür auf, und ein Schirm schnappt hörbar auf. Er wird hochgehalten, und darunter erblickt er ein Paar Beine, einen dunklen Regenmantel. Die Gestalt duckt sich, um der Fahrerin etwas zu sagen, und die Beine gehen in den Park, über den schmalen Pfad, direkt auf den Unterstand zu.
    Anthony O’Hare ertappt sich dabei, dass er aufsteht, über sein Jackett streicht und sich die Haare glättet. Er kann den Blick nicht von den Schuhen abwenden, dem deutlich aufrechten Gang, der trotz des Regenschirms sichtbar ist. Er tritt einen Schritt vor, unsicher, was er sagen, was er machen soll. Sein Herz hat sich irgendwo in der Nähe seines Mundes eingenistet. In seinen Ohren singt es. Die Beine, in dunkler Strumpfhose, bleiben vor ihm stehen. Langsam hebt sich der Schirm. Dann ist sie da, noch immer dieselbe, verblüffend lächerlich, dieselbe, ein Lächeln umspielt ihre Mundwinkel, während ihre Blicke sich begegnen. Er kann nichts sagen. Er kann nur starren, ihr Name klingt laut in seinen Ohren.
    Jennifer.
    »Hallo, Boot«, sagt sie.
    Ellie sitzt im Wagen und wischt mit dem Ärmel über die beschlagene Scheibe auf der Beifahrerseite. Sie parkt im absoluten Halteverbot, womit sie zweifellos den Zorn der Parkgötter auf sich zieht, aber es macht ihr nichts aus. Sie kann nicht wegfahren.
    Sie beobachtet, wie Jennifer mit gleichmäßigen Schritten den Pfad entlanggeht, bemerkt das leichte Zaudern, das ihre Befürchtungen deutlich macht. Zwei Mal hat die ältere Frau darauf bestanden, wieder nach Hause zu fahren, sie werde zu spät kommen, alles sei verloren, nutzlos. Ellie hat sich taub gestellt. Hat so lange vor sich hin geträllert, bis Jennifer Stirling ihr mit ungewöhnlicher Schärfe sagte, sie sei ein »grenzenlos albernes« Mädchen.
    Jennifer geht unter ihrem Regenschirm weiter, und Ellie hat Angst, dass sie sich umdreht und fortläuft. Hier ist ihr deutlich gemacht worden, dass Alter kein Schutz vor den Launen der Liebe ist. Sie hat Jennifers Worten gelauscht, die wild zwischen Triumph und Katastrophe ausschlugen, und ihre eigene endlose Analyse von Johns Worten gehört, ihr verzweifeltes Bedürfnis nach etwas, das viel zu falsch war, um richtig zu sein. Wie sie selbst Ausgänge und Empfindungen aus Wörtern heraufbeschworen hatte.
    Aber Anthony O’Hare ist ein anderes Geschöpf.
    Erneut wischt sie über das Fenster und sieht, wie Jennifer langsamer wird und stehen bleibt. Er tritt aus dem Schatten, irgendwie größer, als er Ellie bisher erschienen war, bückt sich leicht unter dem Eingang, bevor er sich direkt vor sie hinstellt. Sie stehen sich gegenüber, die schlanke Frau im Regenmantel und der Bibliothekar. Selbst aus dieser Entfernung kann Ellie sehen, dass sie den Regen jetzt vergessen haben, den sauberen kleinen Park, die neugierigen Blicke der Beobachter. Sie sehen sich unverwandt an, und sie stehen dort, als könnten sie tausend Jahre so verharren. Jennifer lässt ihren Schirm fallen, neigt den Kopf zur Seite, eine kleine Bewegung nur, und führt die Hand zärtlich an sein Gesicht. Auch Anthony hebt eine Hand und drückt ihre Handfläche an seine Wange.
    Ellie Haworth schaut noch eine Weile zu, zieht sich dann vom Fenster zurück, das wieder beschlägt und ihr die Sicht nimmt. Sie rutscht auf den Fahrersitz, putzt sich die Nase und lässt den Motor an. Die besten Journalisten wissen, wann sie sich von einer Story zu verabschieden haben.
    * * *
    Das Haus befindet sich in einer Straße mit viktorianischen Reihenhäusern, Fenster und Türen von weiß getünchtem Mauerwerk umgeben, die nicht zusammenpassende Sammlung aus Rolläden und Vorhängen deutet auf die unterschiedlichen Besitzer hin. Sie schaltet den Motor aus, steigt aus dem Wagen und geht zur Haustür, wirft einen Blick auf die Namen an den beiden Klingeln. Im Parterre steht nur sein Name. Sie ist ein wenig überrascht; sie hat nicht angenommen, dass er eine ganze Wohnung besitzt. Andererseits,
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