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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht mehr?«
    »Wir haben so viele Einladungen, denen wir nachkommen müssen, daß es unmöglich ist, zu behalten, wie oft und wo überall wir gewesen sind.«
    »Aber eine Einladung des Bundeskanzlers …« Dr. Pfifferling war gewiß noch nie zu einem Kanzler-Sommerfest eingeladen worden; sicher war es sein unerfüllter Traum. Er begriff einfach nicht, daß man eine solche Auszeichnung nicht anders hinnahm als einen normalen Händedruck.
    »Einigen wir uns darauf: Ich war siebenmal Gast des Kanzlers«, sagte Wegener milde. »Es hat uns gut geschmeckt, der Wein war bestens, wir haben bis nach ein Uhr morgens getanzt, ich habe eine Menge Bekannter dort gesehen, auch solche, bei denen ich mich gefragt habe, warum sie eingeladen wurden. Immerhin eine Demonstration allerhöchster Demokratie.«
    Dr. Pfifferling blätterte weiter in dem Dossier. Dann klappte er es kurz entschlossen zu und schob es auf den Tisch zurück. Einmal diese Seiten durchsehen zu können, dachte Wegener. Einmal sehen, wie die anderen dich sehen! Vielleicht steckt da ein ganz anderer Mensch in den Seiten als der, mit dem man es täglich zu tun und an den man sich gewöhnt hat? Was mag man alles in seinem Leben verbrochen haben – in den Augen dieser Herren – und ahnt es gar nicht! Aber da steht es drin, in nüchternen Sätzen. Eine Fleißarbeit von Maulwürfen im Garten der Menschlichkeit.
    Wegener und Dr. Pfifferling unterhielten sich noch eine Stunde lang über alle möglichen Themen, doch kaum über Hellmuth Wegener. Man diskutierte über die EG und ihre Subventionen, die NATO, die Ostpolitik der Regierung, über den Polenvertrag, die Chancen der Parteien bei den nächsten Wahlen, über das Ende der Kolonialherrschaft in Afrika, das Problem Israel, den von Land zu Land rasenden Kissinger, das neue Steuerrecht, die Auswirkungen der beginnenden Rezession, die Jugendarbeitslosigkeit, sogar über die berühmte ›Pillenrede‹ des Papstes sprachen sie und über den Weinüberschuß in Italien und Deutschland. Ab und zu flocht Wegener einen Witz ein, über den Dr. Pfifferling entgegenkommend lachte, auch als Wegener einen losließ, der aus Dr. Schwanglers Kiste stammte.
    Aber Pfifferling war kein Mann, den man auf solche Weise ablenken konnte. Immer wieder streute er Fragen in die Unterhaltung, kam auf die Vergangenheit zu sprechen, auf den Onkel in Hannover, der auch Giftgas hergestellt hatte, auf Wegeners Reisen und seine Freundschaft zu Rudi Velbert, der aktenbekannt war, aber dem man nie etwas hatte nachweisen können.
    »Es war ein Genuß, mit Ihnen zu plaudern«, sagte Dr. Pfifferling nach einer guten Stunde. Er warf die Akte Wegener auf den großen Schreibtisch, als wolle er sagen ›Das ist erledigt.‹ »Und Sie wollen wirklich nicht ins Ministerium?«
    »Nein!« Wegener drückte wieder die freundliche Hand. »Ganz im Gegenteil – ich will mich allmählich aus verschiedenen Funktionen zurückziehen und mehr an mich und vor allem an meine Frau denken.«
    »Mit fünfundfünfzig in Pension?! Dazu sind Sie nicht der Mann. Gerade Sie nicht!«
    »Ab und zu merke ich jetzt den Streß! Diese Alarmzeichen sollte man nicht überhören. Jeder Autofahrer läuft sofort die nächste Werkstatt an, wenn er hört, daß sein Motor klingelt. Nur das Klingeln in uns selbst ignorieren wir.« Er fand es übertrieben höflich, daß Dr. Pfifferling ihn bis zum Lift begleitete und wartete, bis die Tür zuklappte. »Muß ich wiederkommen?« fragte er noch.
    »Wir lassen von uns hören!« antwortete Dr. Pfifferling überaus freundlich.
    Und das war es, was Wegener wieder aller Sicherheit beraubte. Er hatte geglaubt, den heutigen Vormittag gut überstanden zu haben, und alles sei in bester Ordnung. Aber ›Wir lassen von uns hören‹ – das hieß nichts anderes als: Du bleibst ein schwebendes Verfahren! Nichts ist abgeschlossen! Unsere Maulwürfe werden weiterwühlen. Wiege dich in dem Gefühl, du habest eine blütenweiße Weste! Wir bleiben dir im Nacken. Ein Menschenleben, ein für uns wichtiges Menschenleben kann man nicht in einer Stunde durchforsten. Das ist wie ein Urwald, den man roden muß. Warte nur ab … Wir lassen noch von uns hören …
    Wegener fuhr nicht in seine Werke zurück, sondern nach Hause. Im Schlafzimmer saß Dr. Bernharts und trank mit Irmi Sekt.
    »Aha!« sagte Wegener sarkastisch. »Da kann natürlich die pharmazeutische Industrie in die roten Zahlen kommen, wenn die Ärzte grippale Infekte nur noch mit Champagner heilen!« Er ging zum
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