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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Autoren: Victoria Hislop
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schien er nicht wahrzunehmen, und er hatte beim Eintreten offenbar auch ihr Stöhnen nicht bemerkt.
    Bald darauf begann sie, von Qual überwältigt, laut zu schreien und klammerte sich so heftig an Pavlinas Arm, dass sich die Abdrücke ihrer Finger darauf abzeichneten. Solch schreckliche Qualen konnten nur das Ende, nicht den Anfang eines Lebens bedeuten.
    Passanten hörten gelegentlich einen qualvollen Schrei, aber solche Geräusche waren üblich in der Stadt, und der Lärm wurde von der allgemeinen Kakofonie aus Straßenbahnen, Karren und Rufen von Straßenhändlern verschluckt. Um zehn Uhr schickte Pavlina nach Dr. Papadakis, der bestätigte, dass die Geburt kurz bevorstand.
    Während der letzten Stunden der Geburt ließ Olga keinen Moment lang Pavlinas Hand los. Ohne diese Hand fürchtete sie, in einen dunklen Tunnel aus Schmerzen gerissen zu werden, aus dem es keine Rückkehr gab.
    Â»Sehen Sie zu, dass sie sich ein bisschen entspannt«, riet der Arzt der Haushälterin.
    Pavlina wusste aus eigener Erfahrung, dass dies ein absurder Vorschlag war, wenn einem der Schmerz den Leib auseinanderriss. Sie hätte ihm gern ihre Meinung gesagt, aber das hätte zu nichts geführt. Der Mann war in den Siebzigern. Und egal, wie vielen Kindern er im Laufe seines Berufslebens auf die Welt geholfen hatte, konnte er sich nicht annähernd vorstellen, was Olga durchmachte.
    Das Bett war nass von Schweiß und der Flüssigkeit, die sich wie eine Sturzflut aus ihrem Körper ergoss. Olga spürte, wie sie fast das Bewusstsein verlor, und dachte an ihren Albtraum, der sich in verschiedener Form während der vergangenen Tage wiederholt hatte.
    Der Arzt saß inzwischen in einem bequemen Sessel, las Zeitung, warf gelegentlich einen Blick auf seine Taschenuhr und dann wieder zu Olga hinüber. Er gab sich den Anschein, als würde er sie überwachen, aber wahrscheinlich überlegte er nur, wie lange es wohl noch dauerte, bis er endlich zum Essen heimgehen konnte.
    Wegen der geschlossenen Vorhänge herrschte nahezu Dunkelheit im Raum, und er hielt die Zeitung hoch, um den schmalen Lichtstrahl zu nutzen, der durch einen Spalt hereinfiel. Nur wenn ihre Schreie so laut wurden, dass sie den Spiegel fast zum Bersten brachten, stand er auf. Ohne zu nahe an ihr Bett zu treten, um seinen makellosen hellen Anzug nicht in Gefahr zu bringen, gab er weitere Anweisungen.
    Â»Ich kann den Kopf des Babys sehen. Sie müssen jetzt pressen, Kyria Komninou.«
    Nichts erschien ihr natürlicher als das. Jede Faser ihres Seins spürte diesen Drang, aber gleichzeitig erschien es so unmöglich, wie ihren Körper nach außen zu stülpen.
    Es verging vielleicht eine Stunde. Pavlina kam es vor wie ein Tag und Olga wie eine Ewigkeit, in der ihr Leben nur noch in Wogen des Schmerzes eingeteilt war.
    Schließlich kämpfte sich das Baby aus der Dunkelheit ins Dämmerlicht des Raums. Und schrie. Olgas Schmerzen hörten schlagartig auf, als sie merkte, dass der durchdringende Schrei nicht aus ihrem eigenen Mund kam.
    Â»Kyria Olga …«
    Pavlina stand an ihrem Bett und hielt ein weißes Bündel an den fülligen Busen gedrückt.
    Â»Ihr … Baby.« Sie brachte die Worte kaum heraus. »Hier ist Ihr Baby. Ihr Sohn. Ihr Junge, Kyria Olga.«
    Und da war er tatsächlich. Pavlina legte das winzige Bündel in Olgas Arme, und Mutter und Sohn sahen sich zum ersten Mal an.
    Olga konnte nicht sprechen. Eine mächtige Woge der Liebe überrollte sie. Nie hatte sie so etwas Starkes gefühlt wie die bedingungslose Hingabe an dieses kleine Wesen in ihren Armen. In diesem Moment, als ihre Blicke sich trafen, wurde ein unverbrüchliches Band geschmiedet zwischen Mutter und Sohn.
    Konstantinos Komninos wurde eine Nachricht geschickt, und als er eintraf, erwartete ihn Dr. Papadakis im Erdg eschoss.
    Â»Sie haben einen Sohn und Erben«, informierte er ihn stolz, als wäre er selbst dafür verantwortlich gewesen.
    Â»Das sind großartige Neuigkeiten«, antwortete Komninos im Tonfall eines Mannes, der von der sicheren Lieferung einer Ladung Seide erfahren hatte.
    Â»Meine Gratulation!«, fügte Papadakis hinzu. »Mutter und Kind sind wohlauf, deshalb werde ich mich jetzt empfehlen.«
    Es war fast drei, und der Arzt wollte unbedingt fort. Er wollte keinesfalls den Auftritt eines französischen Pianisten verpassen, der an diesem Nachmittag gastierte. Er
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