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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Autoren: Victoria Hislop
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lebten zusammen mit einer Unmenge lästiger Fliegen auch ein paar Hühner, die sich in dem verdreckten Heu ihre Nester bauten. Sie wussten, dass sie sich von den Hinterläufen des Maultiers fernhalten mussten, und pickten stattdessen zwischen den Hufen der Ziege nach Futter. Wenn die Küche nicht von Kochgerüchen erfüllt war, drang der Gestank des Tierdungs nach oben.
    In diesen dunklen, stinkenden Ort fiel nun an diesem Nachmittag ein kleiner Funke aus dem Herdfeuer. Schon tausendmal zuvor war ein solch winziges glimmendes Teil aus den knisternden Flammen gespuckt worden und langsam zu Boden geschwebt, wo es noch einen Moment nachglühte und dann verlosch. Dieses jedoch flog mit der Genauigkeit eines gut gezielten Pfeils durch einen schmalen Spalt zwischen den Dielenbrettern und schien auf seiner Flugbahn noch an Energie zuzunehmen.
    Es fiel auf den Rücken des Maultiers, wo es sofort von dessen Schwanz hinweggefegt wurde. Hätte der ständig wedelnde Schweif des Tiers den Funken nach links gewischt, wäre er auf den mit Urin durchweichten Boden gefallen. Stattdessen wurde er jedoch nach rechts auf die Strohschütte geschleudert. Dort blieb er nicht oben liegen, sondern glitt ein paar Schichten tiefer, bis dahin, wo die Henne ihre Eier ausbrütete und somit das perfekte Umfeld bot, um den immer noch glühenden Funken nicht verlöschen zu lassen.
    Oben köchelte die Suppe im Topf weiter. Die erschöpfte Hausfrau, die ihre Männer erst in einer Stunde erwartete, stieg eine Etage höher, um sich ein wenig auszuruhen. Ihre Tochter lag dort bereits im Dunkeln. Für sie war es leichter, jetzt ein bisschen Schlaf zu finden als in der Nacht gemeinsam mit ihren Eltern im selben Raum. In den meisten Nächten machte sich ihr Vater grob und geräuschvoll über ihre Mutter her, bevor die beiden einschliefen und bis zum Morgen ununterbrochen schnarchten.
    In der Zwischenzeit begann sich unten in der Strohschütte das Feuer auszubreiten, aber Mutter und Tochter nahmen weder den Geruch von verbrannten Federn noch die angstvollen Schreie der Tiere wahr, während sie zwei Stockwerke höher in ihren Betten schliefen.
    Es war nur eine Frage von Sekunden, bis die Flammen um die Holzbalken züngelten und an der Decke entlangkrochen. Bald brannte das ganze Untergeschoss lichterloh, Wände und Decken verwandelten sich in ein Flammenmeer, und das Feuer sprang nach oben zum nächsten Stockwerk und nach außen zu den angrenzenden Häusern über.
    Doch selbst die zunehmende Hitze im Haus reichte nicht aus, um die beiden aufzuwecken. Erst ein Geräusch, das sich wie eine große Explosion anhörte, ließ sie gleichzeitig hochfahren. Der Küchenboden war in den Stall gestürzt.
    Im nächsten Moment waren die beiden Frauen auf den Beinen und hielten sich zitternd vor Angst an den Händen. Das Feuer kletterte bereits die Treppe herauf, und sie wussten, dass ihnen dieser Weg versperrt war, aber von der Straße hörten sie vertraute Stimmen, die nach ihnen riefen.
    Ihnen blieb keine Zeit, die Risiken abzuwägen. Hintereinander, zuerst die Tochter, dann die Mutter, stiegen sie auf den Fenstersims und sprangen hinab, in der Hoffnung, die Männer würden sie auffangen. Und dann, gerade als ihr Haus in sich zusammenstürzte, rannten sie um ihr Leben, wie Hunderte anderer, die in Richtung Osten liefen. Bald gingen sie unter in der Menge, ohne sich bewusst zu sein, welche Schlüsselrolle sie bei der Feuersbrunst gespielt hatten.
    Bereits eine Stunde nach Ausbruch des Brands lagen Dutzende von Häusern in Asche. Die hauptsächlich aus Holz bestehenden Konstruktionen und der sommerliche Wind hatten die Stadt in eine Zunderbüchse verwandelt. Seit Juni war kein Regen mehr gefallen, und es gab nichts, was der Ausbreitung der Flammen Einhalt geboten hätte. Es gab nur wenige Löschfahrzeuge in der Stadt, und die waren alt und leistungsschwach. Hinzu kam, dass der Großteil des städtischen Wassers ohnehin den ausgedehnten Feldlagern der alliierten Truppen außerhalb von Thessaloniki zugeteilt worden war.
    Im Zentrum der Stadt, wo es keinerlei Anzeichen von Feuer gab, befand sich Konstantinos Komninos gerade auf dem Weg zu seinem Verkaufsraum. Er ging mit beschwingtem Schritt. Endlich hatte er einen Sohn.
    Es gab niemanden, dem er die Neuigkeit hätte mitteilen können – abgesehen von einem einzigen Mann. Solange Komninos denken konnte,
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