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Eine Freundin zum Anbeissen

Eine Freundin zum Anbeissen

Titel: Eine Freundin zum Anbeissen
Autoren: Franziska Gehm
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festhielt.
    Als die Rolltreppe aus den dunklen Tiefen ins Tageslicht auf dem Rathausplatz fuhr, atmete Frau Tepes tief ein. »Ah! Großstadtluft! Wie habe ich die vermisst.«
    Daka und Silvania blinzelten. Ihnen hatte es im U-Bahn-Tunnel eigentlich besser gefallen. Daka hatte sogar ein paar Ratten gesehen und ein klitzekleines bisschen Appetit bekommen.
    »Ist es nicht wunderschön!«, sagte Frau Tepes und deutete zum Rathaus, als sie auf dem Platz standen. Das Rathaus war ein spätgotisches Gebäude und hatte fünf große Türme. Auf dem höchsten Turm in der Mitte stand eine Ritterstatue.
    »Sind das etwa ...«, begann Daka und deutete auf den Kopf des Ritters.
    »Tauben?«, kreischte Silvania.
    »Ähm ... was? Ich sehe keine«, sagte Frau Tepes schnell, schnappte die Mädchen an der Hand und führte sie durch das Gedränge in die Einkaufsstraße.
    Mit den Tauben und den Zwillingen war das so eine Sache. Sie hatten ein Tauben-Trauma. Das kam so: Wie die meisten Vampire lernten auch die Halbvampire Daka und Silvania mit ungefähr fünf Jahren fliegen. Daka ging für ihr Leben gerne in die Luft und tollte herum. Silvania war etwas zurückhaltender. Sie fühlte sich auf dem Boden wohler. Doch am Ende des fünften Lebensjahres flogen die Zwillinge, als wären sie Vollblutvampire. Ihr Papa war sehr stolz auf sie. Mit sechs Jahren flogen sie zum ersten Mal alleine los. Sie flogen eine große Runde, fast bis zur nächsten Stadt. Da kam ihnen ein Schwarm Ringeltauben entgegen. Daka war der Meinung, dass sie und ihre Schwester Vorfahrt hatten. Der Meinung waren die Ringeltauben nicht. Daka und Silvania gerieten mitten in den Schwarm.
    Die Tauben, die sehr stolz waren, fühlten sich angegriffen. Sie hackten, kratzten und kackten auf die Schwestern ein. Völlig zerzaust, zerkratzt und beschissen kamen Daka und Silvania mit letzter Kraft zu Hause an. Von da an wussten sie, dass Tauben immer Vorfahrt haben. Und von da an hatten sie ein Tauben-Trauma.
    Deshalb zog Frau Tepes ihre Töchter schnell vom Rathaus mit den Tauben weg. Sie führte sie von einem Laden und von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten. Wobei die Sehenswürdigkeiten echte Insidertipps waren: »Hier bin ich früher immer mit meiner Oma Eis essen gegangen ... und hier stand im Winter meistens ein Eislaufring ... dort am Springbrunnen habe ich mich immer mit meinen Freundinnen getroffen ... da drüben beim Bäcker gab es den besten Pflaumenkuchen. Ach, da ist ja jetzt ein Fleischer drin ...«
    Silvania lächelte und nickte ihrer Mutter zu, während sie aus den Augenwinkeln die Menschen beobachtete. Sie sahen nicht viel anders aus als die Menschen in Transsilvanien. Aber es waren so viele! Dicke, dünne, weiße, farbige, alte, junge, blonde, brünette, hastige, Schlenderer, gut gelaunte, schlecht gelaunte, stinkende und duftende. Silvania fragte sich, ob die Menschen merkten, dass sie anders war. Sie hoffte nicht.
    Daka fand, dass die Menschen in Bindburg vollkommen anders aussahen als die Bewohner von Bistrien. Niemand hier hatte dunkelrote oder lilafarbene Augen. Oder orangefarbene, wie der Sänger von Krypton Krax. Die Menschen wirkten hektisch, alle hatten es wahnsinnig eilig. Aber im Vergleich zu einem Vampirleben war so ein Menschenleben ja auch ziemlich kurz, da musste man wohl Tempo machen. Vielleicht lag es am Tempo, dass sie alle rosiger aussahen als die Einwohner von Bistrien. Oder am Tageslicht. Bistrien war fast ausschließlich eine unterirdische Stadt. Jahrhundertealte Gänge und Häuser aus Stein befanden sich ein paar Meter unter der Erde. Es gab auch eine Haupteinkaufsstraße wie diese hier, aber die Läden waren viel kleiner. Meistens wurden selbst hergestellte Produkte verkauft: coole Umhänge, Sonnenhüte und Flughauben, aber auch Beißringe, Blutpressen oder extragroße Fleischwölfe. Und dann gab es natürlich den Haustierladen mit jeder Menge Rennzecken, Blutegeln, Flöhen und Mücken.
    Daka seufzte. Sie vermisste es jetzt schon, durch die halbdunklen, verschlungenen Gänge von Bistrien zu sausen. Aber sie wollte ihrer Mama nicht den Ausflug verderben und einen Flunsch ziehen. Heimlich steckte sie sich kleine Kopfhörer in die Ohren und hörte Krypton Krax. Dazu wackelte sie im Rhythmus mit dem Kopf. Es sah aus, als würde sie nicken. Frau Tepes erzählte. Es war ein harmonischer Ausflug.
    Auf dem Rückweg zur U-Bahn entdeckten sie in einer Nebenstraße zur Einkaufsmeile einen kleinen Laden. Bis auf einen alten Stuhl und zerknüllte
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