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Eine Freundin zum Anbeissen

Eine Freundin zum Anbeissen

Titel: Eine Freundin zum Anbeissen
Autoren: Franziska Gehm
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genannt zu werden.
    »Schon ist gut«, murmelte sie und gähnte.
    »Alles ist relativ und Mama immer positiv«, sagte ein ebenso blasses Mädchen, das hinter Daka zur Tür heraustrat. Das war Silvania, die ihren Namen liebte und es nicht ausstehen konnte, wenn ihn jemand abkürzte oder verniedlichte. Sie trug einen knielangen dunkelroten Rock, dessen Saum mit schwarzen Perlen bestickt war, und Ballerinas. Dazu hatte sie einen extravaganten Hut auf, als wäre sie eine englische Dame beim Pferderennen, und um ihre Schultern lag eine schwarz-rot gemusterte Stola. Sie war ein Stück kleiner und ein Stück breiter als ihre Schwester. Und sieben Minuten älter.
    Elvira, Daka und Silvania Tepes hatten Bistrien am frühen Morgen verlassen, waren zum Flughafen in die Hauptstadt gefahren und mit dem Flugzeug nach Deutschland geflogen, direkt nach Bindburg. Mihai Tepes war in der Nacht selber nach Deutschland geflogen. Daka hätte ihn gerne begleitet, doch ihr fehlte einfach noch die Kondition für derartige Langstreckenflüge. Für Mihai waren die 1490 km zwischen seiner alten und seiner neuen Heimat der reinste Spazierflug. (In seiner Jugend, also vor 1244 Jahren, hatte Mihai Tepes an mehreren Marathonflügen über 4200 km teilgenommen, und mit seinem Bruder Vlad hatte er eine Weltflugreise unternommen. Auch heute, mit seinen 2676 Jahren, war er noch ziemlich fit.)
    Der Möbeltransporter, der Tage zuvor in Siebenbürgen losgefahren war, sollte eigentlich gleichzeitig mit den Tepes ankommen. Doch er hatte sich an einer besonders verzwickten Kreuzung verfahren. Zum Glück war diese Kreuzung nur noch wenige Kilometer vom Ziel entfernt, und Herr Tepes konnte den Lieferwagen aus der Luft aufspüren und in knapp zwei Stunden in den Lindenweg lotsen.
    »Dann wollen wir mal!« Herr Tepes rieb sich die Hände, während der Fahrer mit der Zigarette im Mund die Hintertür des Lieferwagens öffnete.
    »Meine Pflanzen!«, rief Frau Tepes.
    »Mein Aquarium!«, rief Daka.
    »Mein Cello!«, rief Silvania.
    Während der langen Fahrt durch Schlaglöcher, über Kopfsteinpflaster und durch so manche gewagte Kurvenlage war einiges im Lieferwagen durcheinandergeraten. Daka zog mit einem Ruck einen Korb voller Bücher von der Ladefläche. Es war, als hätte sie eine Lawine losgetreten. Im Wagen rumpelte und pumpelte es. »Schlotz zoppo!«, schrie sie, doch es war zu spät.
    Eine riesengroße Blumenvase rollte weiter hinten von einer Kiste, legte enorm an Tempo zu, segelte durch die Luft und landete mitten auf Silvanias Hut. FLOPP!
    Ein Kaktus rutschte direkt auf Elvira Tepes zu, die schnell ihren Rock raffte und die Stachelpflanze darin auffing. »Meine Aylostera blossfeldi!«, rief sie.
    Im gleichen Moment fing Herr Tepes ein Bügeleisen und einen Schrubber auf. Mit dem Bügeleisen konnte er einen Tennisball abwehren, der ihm sonst geradewegs ins Gesicht geschossen wäre.
    Daka beobachtete die zerstörerische Kraft der Umzugslawine mit offenem Mund und großen Augen. Zum Glück hatte das Rumpeln im Lieferwagen aufgehört. Alle atmeten auf. In dem Moment löste sich ein Buch aus dem Korb. Es war ein Wörterbuch mit 2500 Seiten. WUMMS!, landete es auf Dakas Fuß. »Auuuu!«, jaulte Daka auf.
    Silvania, Mihai und Elvira Tepes spuckten sofort dreimal hintereinander auf Dakas Fuß. Das war ein alter transsilvanischer Brauch gegen Schmerzen. Manchmal half er sogar. Nachdem sich die Tepes von diesem ersten Schreck erholt hatten, begannen sie mit dem Ausladen. Ganz vorsichtig.
    Der Mann im weißen Unterhemd, die Frau mit den abgeknabberten Fingernägeln und der gescheckte Hund sahen mit großen Augen, wie klotzige Schränke, Kisten und eine blutrote Couch ins Reihenhaus Nummer 23 getragen wurden. Mit noch größeren Augen sahen sie, wie eine Kollektion aus schwarzen Umhängen, ein gigantischer Kronleuchter und eine hölzerne, altertümliche Orgel im Haus verschwanden. Als eine riesengroße Tiefkühltruhe, an die fünfzig weiße Klobrillen und ein schwarz glänzender Sarg ins Haus gebracht wurden, fielen ihnen die Augen beinahe aus dem Gesicht. Der Mann im weißen Unterhemd ließ den nassen Lappen fallen, die Frau vergaß, an den Fingernägeln zu knabbern, und der Hund pullerte sich mit den letzten Tropfen ans rechte Hinterbein.
    Im Reihenhaus Nummer 21, direkt neben den Tepes, wackelte die Gardine, und eine lange, gebräunte Nase verriet einen neugierigen Zuschauer. Doch die Tepes waren zu beschäftigt, um ihn wahrzunehmen. Im Reihenhaus Nummer 24, direkt
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