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Eine Freundin zum Anbeissen

Eine Freundin zum Anbeissen

Titel: Eine Freundin zum Anbeissen
Autoren: Franziska Gehm
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Stück bekommt man Mengenrabatt.«
    »Das heißt, wir haben hundertfünfzig Klobrillen in der Wohnung?« Silvania sah ihre Mutter verzweifelt an.
    »Genau genommen zweihundertfünfzig.« Sie lächelte kurz.
    Silvania hingegen seufzte. In den zwölf Jahren ihres halbvampirischen Lebens hatte sie keinen Menschen (geschweige denn einen Vampir) kennengelernt, der so an einem Traum festhielt wie ihre Mutter. Frau Tepes war Künstlerin. Seit Jahren träumte sie von ihrem eigenen Klobrillenladen. Sie hatte die Geschäftsidee, Klobrillen für ästhetisch anspruchsvolle Kunden individuell zu gestalten. Im Dorf in Siebenbürgen, wo die meisten Einwohner wie ihre Vampirvorfahren am liebsten in der Natur ihr Geschäft verrichteten, floppte die Idee. Hier in Bindburg wollte es ihre Mutter noch einmal versuchen – aber musste sie ihre Klobrillensammlung deshalb in Silvanias Zimmer lagern? Silvania wusste, was das bedeutete: ein gemeinsames Zimmer für die Zwillinge.
    »Gleich morgen fahre ich ins Stadtzentrum und sehe mich nach einem Laden um«, versprach Elvira Tepes beim Abendessen. »Kommt doch mit, das wird bestimmt spannend«, versuchte sie ihre Töchter aufzumuntern.
    Doch die Stimmung war im Keller. Dort, wo Mihai Tepes nach langer Diskussion samt Sarg, Heimaterde und Orgel eingezogen war. Im Wohnzimmer blieb als Kompromiss ein katzenkloähnlicher Behälter mit transsilvanischer Erde zurück.

Eine schlaflose
Nacht
    F umpfs!«, stöhnte Daka. »Ich kann nicht schlafen.« Sie drehte sich zum x-ten Mal in ihrem Bett von einer Seite auf die andere. Dabei wackelte und quietschte das Bett, das wie eine Schiffsschaukel aussah. Oder wie ein bunter Sarg, der mit vier Ketten an den Ecken in einem Metallgestell hing. Auf Dakas schwarze Bettwäsche waren lauter kleine weiße, fette Larven gedruckt. Daka stopfte sich ihr Kissen unter den Kopf, das die Form einer riesengroßen Spinne hatte.
    Die Schwestern hatten am Nachmittag jeweils eine Zimmerhälfte bezogen. Ihre Eltern hatten ihnen mit den Möbeln geholfen, dann hatten sie die Zwillinge lieber allein gelassen. Wie ein explosives, unsichtbares Gas lag Ärger in der Luft. Schweigend hatten die Schwestern ihre Schränke eingeräumt. Als Daka quer durch den Raum an der Decke eine Metallkette aufhängen wollte – zum Abhängen –, hatte Silvania protestiert. Schließlich verletzte Daka damit Silvanias Hoheitsgebiet und drang in ihre Zimmerhälfte ein. Erst bestand Daka darauf, dass es trotz allem ihr Zimmer war. Obwohl beiden Schwestern klar war, dass es Monate dauern könnte, bis die Klobrillen aus Silvanias Zimmer verschwunden waren. Dann bot Daka ihrer Schwester einen Deal an: Silvania durfte ihren alten, vertrockneten Baum, den sie als Hutständer benutzte und für den sie wegen all der Bücherregale, Schmuckkommoden und Klamottenschränke keinen Platz mehr auf ihrer Hälfte hatte, in Dakas Zimmerhälfte abstellen, wenn sie dafür die Kette aufhängen durfte. So einigten sich die Schwestern. Daka hängte die Kette auf, und Silvania stellte den Hutständerbaum in Dakas Zimmerhälfte ab.
    Dann hatten sie ihr Gebiet markiert. Daka hatte über ihrem Bett ein Poster von Krypton Krax, ihrer transsilvanischen Lieblingsband, aufgehängt. Silvania hatte einen Strauß getrockneter Rosen aufgehängt. Oma Zezci hatte ihn ihr mit Transflyrop zum Geburtstag geschickt. Doch manchmal, vor dem Schlafengehen, redete Silvania sich ein, den Strauß von einem heimlichen, wahnsinnig gut aussehenden Verehrer geschenkt bekommen zu haben.
    Silvania hob den Blick von ihrer Mädchenzeitschrift. Sie lag in einem alten Metallbett mit verschnörkeltem Kopfaufsatz und Bettpfosten, die wie schlafende Fledermäuse aussahen. Auf ihre Bettwäsche war ein Vollmond mit einem heulenden Wolf davor gedruckt. »Kein Wunder, dass wir nicht einschlafen können. Es ist ja auch noch total dunkel draußen. Wie soll man da ein Auge zukriegen?«
    Daka seufzte und wickelte sich einen Arm ihres Spinnenkopfkissens um den Hals. »Um die Zeit wären wir in Bistrien in die Schule geflogen.« Voller Sehnsucht sah sie aus dem Fenster in den Sternenhimmel. »Fehlt dir Transsilvanien auch schon so sehr wie mir?«
    Silvania verdrehte die Augen. »Wir sind gerade mal einen Tag weg. Und du hast schon Heimweh. Du bist schlimmer als Papa.«
    »Na und? Was ist so schlimm an Heimweh?«
    »Nichts. Ich finde nur, wir sollten es hier zumindest versuchen. Papa zuliebe haben wir zwölf Jahre in Transsilvanien gelebt. Und Mama zuliebe sind wir jetzt
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