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Eine Freundin zum Anbeissen

Eine Freundin zum Anbeissen

Titel: Eine Freundin zum Anbeissen
Autoren: Franziska Gehm
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hier. Es ist nicht fair, alles mieszumachen.«
    »Mies? Wer macht etwas mies? Hier ist es einfach mies!« Mit einem Satz war Daka aus dem Bett gehüpft und mit zwei Armschlägen an die Decke geflogen. Sie hängte sich kopfüber mit den Beinen an die Metallkette.
    »Dakaria! Komm da sofort runter!«, rief Silvania.
    »Nicht, solange du mich Dakaria nennst.« Daka verschränkte die Arme.
    »Daka, bitte komm runter. Wenn dich jemand sieht!«
    »Wer soll mich denn hier sehen?«, fragte sie und winkte zum Fenster.
    »Na, irgendwelche Nachbarn.«
    »Dann müssen die aber im zweiten Stock an unserem Fenster vorbeifliegen«, erwiderte Daka.
    Silvania seufzte.
    »Komm schon, wir werden ja wohl noch zu Hause abhängen dürfen. Das machen Menschen doch auch.« Daka schaukelte an der Metallkette vor und zurück. Die Kette quietschte.
    »Ja, es sieht nur etwas anders aus«, sagte Silvania.
    »Na und? Ich ändere mich doch nicht von oben bis unten, nur weil wir ein paar Tausend Kilometer weggezogen sind. Wenn Menschen keine Ahnung haben, wie man so richtig abhängt, ist das nicht mein Problem. Schlimm genug, dass wir hier nicht mehr fliegen dürfen, nachts schlafen und den ganzen Tag durchmachen müssen, in eine normale Schule mit normalen Menschen gehen und uns ständig mit Sonnencreme zukleistern müssen.«
    »So etwas nennt man In-te-gra-tion.«
    »Hä? Steht das in deiner Mädchenmenschenzeitschrift?«
    Silvania machte »tze" und blätterte um. Sie hatte beschlossen, die Tatsache zu ignorieren, dass ihre Schwester über ihr an der Decke baumelte. »Also ICH freue mich, endlich unter Menschen zu kommen.«
    Daka runzelte die Stirn. »Und wieso?«
    »Menschen sind einfach so ... so kultiviert.«
    »Und was soll das bedeuten?«
    In dem Moment ging ein Stockwerk tiefer die Terrassentür auf, und kurz darauf flog Herr Tepes mit einer Rolle Klopapier in der Hand am Fenster vorbei Richtung Wald.
    »So etwas machen sie zum Beispiel nicht«, erklärte Silvania. »Und sie essen kein blutendes Fleisch oder spielen mit Rennzecken und Blutegeln.«
    »Dafür essen sie Knoblauch, gehen freiwillig ins Wasser und sind ganz verrückt nach Sonnenstrahlen. Wäh!« Daka schüttelte sich. Die Kette quietschte. Dann warf Daka einen Blick auf ihr Aquarium, in dem sich ihre geliebten Blutegel schlängelten. »Und was hast du gegen Blutegel?«
    »Nichts. Aber kein Mensch hat Blutegel als Haustiere. Menschen haben süße Puschelhunde, schnurrende Schmusekatzen oder zwitschernde Vöglein.«
    »Ich bin aber kein Mensch.«
    »Immerhin ein halber.«
    »Ich wäre lieber ein ganzer Vampir«, seufzte Daka.
    »Und ich lieber ein ganzer Mensch.«
    Eine Weile war es still in dem Mädchenzimmer, bis auf das leise Quietschen der Kette.
    »Mensch sein ist total langweilig«, meinte Daka dann.
    »Ist es nicht.«
    »Doch, wetten?«
    »Du hast keine Ahnung.«
    »Aber du.«
    »Ja.«
    »Na dann.«
    Ein paar Sekunden sagte wieder keiner ein Wort. Silvania schielte zu ihrer Schwester nach oben. Sie hatte die Arme verschränkt und die Augen geschlossen. »Komm lieber runter, Daka. Du weißt doch, dass du manchmal im Schlaf abstürzt.«
    Daka öffnete ein Auge. Musste sie ihre Schwester daran erinnern? Das war vielleicht zweimal, höchstens dreimal passiert. Und da war sie noch klein gewesen. Vielleicht sechs Jahre, höchstens acht. Aber wie das eben so war mit älteren Schwestern: Manchmal hatten sie recht. Auch, wenn sie nur sieben Minuten älter waren. Daka öffnete beide Augen und beide Arme und flog zurück in ihr Bett. Sie machte eine Bauchlandung auf ihrer Larvenbettwäsche und vergrub das Gesicht im Spinnenkopfkissen. Der Schiffssarg wackelte.
    Silvania drehte sich zufrieden mit der Zeitschrift zur Wand.
    »Silvania?«
    »Ja?«
    »Schläfst du schon?«
    »Ja.«
    »Ich auch.«
    »Gut.«
    »Boi noap.«
    »Ebenfalls gute Nacht.«

Die neuen
Nachbarn
    D irk van Kombast hatte die Nacht schlecht geschlafen. Er stand vor dem Badezimmerspiegel und strich sich mit seinen schlanken Fingern über das gebräunte Gesicht. Er war Ende dreißig, doch die meisten Leute schätzten ihn jünger. Dass sie das heute auch tun würden, bezweifelte er. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe. Daran waren die neuen Nachbarn schuld. Sie waren die Nacht über zwar nicht laut gewesen. Viel schlimmer: Sie waren verdächtig!
    Er biss seine schneeweißen Zähne aufeinander, zog die Mundwinkel hoch und sagte zum Badezimmerspiegel: »Einen wunderschönen guten Tag. Mein Name ist van Kombast. Dirk van
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