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Eine Freundin zum Anbeissen

Eine Freundin zum Anbeissen

Titel: Eine Freundin zum Anbeissen
Autoren: Franziska Gehm
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Knie sah, die zitterten. Sie fasste sich kurz an ihre Kette, die sie, seit sie denken konnte, um ihren Hals trug und die ihr Glücksbringer war. In dem Anhänger daran war ein Bild von Oma Zezci und etwas Heimaterde. Das beruhigte.
    Herr Tepes nahm Silvanias Hand und drückte sie. »Onu, zoi, trosch, und los!«
    FUSCH!, sausten drei schwarze Gestalten in den dunkelblauen Nachthimmel, von dem sie sich kaum abhoben. Man musste schon sehr genau hinsehen, wenn man sie erkennen wollte, so schnell, lautlos und gut getarnt waren sie. Wenn man zum Beispiel den ganzen Abend still und heimlich auf der Terrasse des Reihenhauses Nummer 21 gesessen und die Augen schon an die Dunkelheit gewöhnt hatte, konnte man die drei Tepes am Himmel vielleicht erkennen. Man musste sich aber wirklich genau im richtigen Moment gut konzentrieren. Was Dirk van Kombast versuchte.
    Mihai Tepes und Daka zischten wie zwei Raubvögel im Sturzflug durch die Nacht. Silvania flog wie eine Hummel, die ihren Saugrüssel zu lange in ein Schnapsglas gehalten hatte. Sie hüpfte über Luftlöcher hoch und runter und kam nur halb so schnell voran wie die anderen beiden. »Ich hasse fliegen«, murmelte sie vor sich hin. »Das macht doch kein Mensch. Warum muss ich das machen?« Doch dann fielen ihr die U-Bahn-Fahrt und die Rolltreppe wieder ein. Manchmal war es vielleicht doch ganz gut, eine Alternative zu haben.
    Sie legte die Arme an und presste das Kinn auf die Brust, um schneller zu fliegen und die anderen einzuholen. Herr Tepes, der ganz lässig auf dem Rücken flog und die Arme hinter dem Kopf verschränkt hatte, nickte Silvania anerkennend zu. Daka war gerade mitten im Looping. Den einfachen Looping hatte sie schon ziemlich gut drauf und konnte ihn sogar aus dem Stand. Doch beim doppelten Looping hatte sie bis jetzt entweder immer zu viel oder zu wenig Schwung. Aber bis zur nächsten Freestyle-Fly-Meisterschaft in Transsilvanien war zum Glück noch genug Zeit zum Üben.
    Nachdem sie Sturzflüge, Ausweichmanöver, Kurvenlage und Landen geübt hatten, sagte Mihai Tepes: »Lasst uns in der großen Tanne dort drüben abhängen.« Er flog zur Tanne und hängte sich kopfüber mit den Beinen an einen dicken Ast. Silvania und Daka hängten sich an einen Ast gegenüber. Vampire liebten es, wenn ihnen das Blut in den Kopf stieg – auch wenn ihnen dabei die Tannennadeln in die Kniekehlen piksten.
    »Meine Lieblingstöchter«, begann Herr Tepes mit ernster Miene. »Wir sind weit von der Heimat entfernt, aber wir tragen sie in uns, und keiner kann sie uns nehmen. Morgen beginnt für euch ein neues Leben in einer Welt voller Menschen. Aber ihr braucht keine Angst zu haben. Wer seine Heimat und seine Wurzeln kennt und liebt, den haut nichts so schnell aus der Bahn.«
    Daka nickte ernst, und Silvania sah nach oben auf ihre Zehenspitzen. Die Mädchen kannten solche Reden von ihrem Papa schon. Als zweiter Sohn einer ehrwürdigen Vampirfamilie aus Bistrien waren ihm seine Herkunft und Heimat sehr wichtig.
    »Und jetzt«, sagte Herr Tepes und breitete die Arme aus, »singen wir das schöne Lied ›Transsilvania, rodna inima moi‹.«
    Daka unterdrückte ein Stöhnen. ›Transsilvania, rodna inima moi‹ – ›Transsilvanien, Heimat meines Herzens‹ – hatte vierzehn Strophen.
    Silvania warf ihrer Schwester einen Blick zu und zuckte die Schultern. Da mussten sie durch. Sie wussten, dass ihr Vater nicht vor dem letzten Ton der letzten Strophe zufrieden war. Aber eigentlich war es ein schönes Lied, und Mihai Tepes bekam immer einen feuchten Glanz in den Augen, wenn er es mit seinen Töchtern sang. Silvania und Daka wurde dann auch ganz schummerig zumute. Dazu reichten aber auch fünf Strophen.
    Als der letzte Ton verklungen war, wischte sich Mihai Tepes eine Träne aus dem Augenwinkel. War es nicht ein ungeheures Glück, solche Töchter zu haben? Sie würden auch in Deutschland prächtige Vampire ... oder zumindest Halbvampire werden. Da war sich Mihai Tepes sicher. Es lag ihnen nun mal im Blut.

Flugpost
    A uch in der zweiten Nacht fiel Silvania und Daka das Einschlafen schwer. Es war einfach zu dunkel. Sie hatten extra das Licht angelassen. Daka kniete vor dem Aquarium und spielte mit Karlheinz, ihrem Lieblingsblutegel. Silvania lackierte sich die Fingernägel zartlila, wie sie es in der Mädchenzeitschrift gesehen hatte. Am liebsten hätte sie auch die Schminktipps ausprobiert. Aber das war nicht so einfach. Ihr Spiegelbild war so undeutlich wie eine Nebelgestalt. Bei
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