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Eine Freundin zum Anbeissen

Eine Freundin zum Anbeissen

Titel: Eine Freundin zum Anbeissen
Autoren: Franziska Gehm
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schweren, silbernen Schnürschuhe sahen aus, als wären sie drei Nummern zu groß.
    Das andere Mädchen hatte einen Melonenhut auf. An den Seiten quollen rotbraune, schulterlange Haare hervor. Sie trug ein einfaches, rotes Kleid und dazu schwarze, ellbogenlange, fingerlose Handschuhe. Die Spitzen ihrer rotbraunen Stiefeletten bogen sich nach oben wie Haken.
    Das Melonenhutmädchen folgte dem anderen Mädchen auf den Bürgersteig. Auf einmal schoss eine Taube von einem Reihenhausdach auf die Straße nieder. Armin Schenkel sah sie nur aus den Augenwinkeln. Sein Blick war fest auf die Mädchen geheftet. Denn was mit ihnen vor sich ging, war viel interessanter. Das Mädchen mit der Spinnenstrumpfhose versuchte, dem anderen Mädchen auf den Arm zu springen, während das Melonenhutmädchen gleichzeitig versuchte, sich hinter dem anderen Mädchen zu verstecken. Es sah aus wie ein panischer Rock-'n'-Roll-Tanzversuch. Schließlich entknoteten sich die Mädchen wieder und –
    WEG.
    Sie waren einfach weg. Armin Schenkel kam es so vor, als ob die Wohnungstür eben noch gewackelt hatte, aber sicher war er sich nicht. Er klebte mit der Nase an der Fensterscheibe und starrte auf den menschenleeren Bürgersteig. Die Taube pickte ein paar Krümel auf, dann flog sie wieder zurück auf eins der Reihenhausdächer.
    Herr Schenkel rieb sich die Augen. Er seufzte. Er fühlte die Temperatur an seiner Stirn und schielte besorgt zur Couch. Dann griff er mit zitternden Händen nach dem Reißverschluss der Laptoptasche. Er wollte den Laptop gerade wieder auspacken, als sich abermals die Tür von Reihenhaus Nummer 23 öffnete. Die beiden Mädchen steckten die Köpfe zur Tür heraus und spähten auf den Bürgersteig. Langsam gingen sie die Stufen hinunter. Sie hielten sich an den Händen und sahen alle paar Sekunden in die Luft. Dann liefen sie zügig auf dem Bürgersteig los.
    Armin Schenkel ließ die Nachbarskinder nicht aus den Augen und hielt die Luft an. Er folgte ihnen mit seinem Blick, bis sie am Ende des Lindenwegs um die Ecke bogen. Sie waren weder geflogen noch plötzlich verschwunden. Sie waren gelaufen. Ganz normal. Zwei ganz normale Mädchen auf dem Weg zur Schule.
    Armin Schenkel atmete aus. Er schloss die Laptoptasche, nahm sein Jackett und den Autoschlüssel. Heute war er reif für das Büro. Endlich.

Melone im Anflug
    D aka und Silvania Tepes waren in ein paar Tagen professionelle Straßenbahnfahrerinnen geworden. Daka surfte im beweglichen Mittelteil der Linie 14 und freute sich über jede Kurve. Silvania las in einem Roman und seufzte hin und wieder. Als die säuselnde Frauenstimme »Nächster Halt: Ringelnatzstraße« ankündigte, drückte Silvania auf den Haltewunschknopf, ohne vom Buch aufzusehen. Erst als sie aus der Straßenbahn traten und den Radweg überquerten, steckte Silvania das Buch in die Tasche.
    »Hast du bemerkt, dass Herrn van Kombasts Sportwagen heute Morgen gar nicht vor dem Haus stand?«, fragte Daka, während sie der Ringelnatzstraße weiter Richtung Schule folgten.
    Silvania zog die Schultern hoch. »Vielleicht muss er zur Abwechslung mal arbeiten, statt bei seinen Nachbarn tote Ratten von der Terrasse zu sammeln und sie damit überraschend zu besuchen.«
    »Ich habe doch gleich gesagt, dass mit dem Typen etwas nicht stimmt.«
    »Ach was. Er langweilt sich bestimmt nur alleine zu Hause und sucht Anschluss.«
    »Meinst du?«
    »Klar. Männer können das nicht so offen zeigen und stellen sich dabei ein bisschen an«, erklärte Silvania.
    »Und warum sucht er gerade bei uns Anschluss?«
    Silvania zupfte eine Strähne vors Ohr. »Wir gefallen ihm eben.«
    Daka schnaubte. »Du hast dich von seinen Blondlöckchen und seinen Katzenaugen einwickeln lassen. Das ist alles. Wenn du mich fragst: Dieser Herr van Kompost stinkt. Und zwar nicht nur nach Knoblauch. Der riecht nach Ärger.«
    Silvania verdrehte die Augen. »Du hast schon wieder irgendwelche Horrorszenarien im Kopf und siehst überall Gespenster. Dirk van Kombast ist ein ganz normaler, netter Nachbar. Der außerdem total gut aussieht. Er war so süß, als er mit seinen himmelblauen Puschelhausschuhen und Rattatoi in der Hand hilflos im Raum stand.«
    Jetzt verdrehte Daka die Augen. »Ja, so süß wie eine saure Gurke. Bei deinem Männergeschmack habe ich jetzt schon Angst vor meinem Schwager.«
    Plötzlich blieb Silvania stehen. »Guck mal! Das da vorne – ist das nicht Helene?«
    Ein paar Meter vor ihnen lief ein Mädchen mit langen blonden Haaren. Es
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