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Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft
Autoren: Amanda Cross
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Schreibtischen festsaßen und nicht so schnell verschwinden konnten, zu einer Autorität in Sachen William Sharp/Fiona Macleod geworden.
    Professor Pollinger hatte noch eine dritte Rede in seinem Repertoire, die nicht festgelegt war: variabel, wie die Mathematiker sagen.
    Diese Rede konnte von allem handeln, was Professor Pollinger jüngst passiert war und seine Aufmerksamkeit genügend gefesselt hatte, um ihm im Gedächtnis zu bleiben: Wie er geistesabwesend in einer Schneewehe gelandet und diese ihn begraben hatte, wie er eine Stunde lang ganz deutlich das Rauschen der Irischen See gehört hatte, bis seine Frau nach Hause gekommen war und entdeckt hatte, daß die Wanne im Badezimmer nebenan übergelaufen war und Professor Pollinger knöcheltief im Wasser stand; ganz selten und wirklich nur unter zwingenden Umständen konnte es passieren, daß Professor Pollinger von sich aus etwas beitrug, das zur Sache gehörte und das, wie es jetzt der Fall war, einen beunruhigenden Einfluß auf die Diskussion ausübte.
    »Auden war technisch sehr interessiert«, verkündete Professor Pollinger jetzt und blies dabei durch seinen Schnurrbart. »Wollte 19

    selber mal Ingenieur werden. Als der Kollege für orientalische Sprachen ausfiel, habe ich einen Ingenieurwissenschaftler vorgeschlagen.« Professor Pollinger schnaufte ein- oder zweimal. »War froh, als ich entdeckte, daß sie einen chinesischen Ingenieur haben«, sagte er. »Damit wäre alles in Ordnung, dachte ich. Habe Sie nicht finden können«, fügte er hinzu und warf Kate einen schmollenden Blick zu.
    Kate hüstelte. »Dann«, sagte sie und wandte sich an den Herrn vom Ingenieurwesen, »ist Ihr Name gar nicht Professor Chang?«
    »Ist er«, beharrte der Herr. »Einspruch. Ist er wirklich.«
    »Ich verstehe«, sagte Kate, was sie nicht tat. »Also, dann können wir vielleicht anfangen. Professor Pollinger, würden Sie wohl die übliche erste Frage stellen?«
    »Gewiß doch«, sagte Professor Pollinger und schnaubte durch seinen Bart. »Aus welchem Grund haben Sie dieses Thema gewählt, Mr. Wie-immer-Sie-heißen?«
    »Bitte, Professor Pollinger«, sagte Kate, »stellen Sie doch, wenn es Ihnen nichts ausmacht, die Frage erst, wenn der Kandidat anwesend ist.«
    »Sehr schön«, sagte Professor Pollinger verdrossen. »Sehr schön.« Kate, die aufstand, um Mr. Cornford hereinzubitten, warf Professor Pollinger einen mißtrauischen Blick zu. Sie hatte den ernsthaften Verdacht, daß er sie alle auf den Arm nahm. Ende des Jahres würde er in Pension gehen, und möglichst verzottelt zu wirken schien seinem eigenartigen Humor zu entsprechen. Aber Kate vermutete, daß Freude an der Konfusion, die er anrichtete, gepaart mit generellem Ressentiment gegen die moderne Welt als solche, für sein exzentrisches Verhalten verantwortlich war. Natürlich war diese wie alle anderen Dissertationen nicht wirklich unter seiner Aufsicht und Leitung entstanden, aber immerhin hatte er jede einzelne gründlich durchgelesen auf der Suche nach Kommata außerhalb der An-führungszeichen.
    »Nehmen Sie bitte Platz, Mr. Cornford«, sagte Kate. Die Ausschußmitglieder erhoben sich, wie üblich, als der Kandidat eintrat.
    »Fangen wir also an, Professor Pollinger, würden Sie bitte die erste Frage stellen?«
    »Mr. ehm, Wie-immer-Sie-heißen-mögen«, kam es schnaubend durch seinen Schnurrbart, »wissen Sie zufällig, ob Auden jemals die Versdramen von Fiona Macleod gelesen hat?«
    »Vielleicht«, warf Kate ein, »könnte Mr. Cornford damit beginnen, daß er uns erzählt, warum er sich dieses Thema…«
    20

    »Sagen Sie bitte«, sagte Professor Chang und deutete im Sitzen eine kleine Verbeugung an, »hat Ihr Mr. Auden in China Landschaf-ten aus Kalkstein gefunden? Und was, bitte schön, sind Dildos?«
    Wie sie die nächsten beiden Stunden überstanden – denn Professor Kruger zeigte sich sehr interessiert an Audens Erlebnissen in Deutschland, und Professor Chang interessierte sich schlichtweg für alles –, wußte Kate später nicht mehr genau. Aber alle genossen das Gespräch so sehr, daß sie ganz glücklich für eine Auszeichnung stimmten (die Mr. Cornford wirklich verdient hatte), und Kate gratulierte ihm noch, als die anderen sich schon mit einer Verbeugung verabschiedet hatten.
    »Mein Gott«, sagte Mr. Cornford. »Das wird mir kein Mensch jemals glauben. Kann das wirklich amtlich sein? Bis an mein Le-bensende, das noch in weiter Ferne liegen möge, werde ich die Geschichte dieser Prüfung
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