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Eine fast perfekte Lüge

Eine fast perfekte Lüge

Titel: Eine fast perfekte Lüge
Autoren: Dinah McCall
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Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Denn sonst würde Calderone gleich wissen, um wen es sich bei den Eindringlingen handelte. Also hatte sein Kontaktmann in Bogotá seine letzte Botschaft doch bekommen und weitergegeben. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis er seine wahre Identität wieder annehmen konnte, aber im Moment musste er noch mit den Wölfen heulen. Er packte sein Sturmgewehr fester und ging mit den anderen Bandenmitgliedern in Deckung.
    Calderone, der mit seinen kurzen stämmigen Beinen an eine Bulldogge erinnerte, rannte hin und her und brüllte auf Spanisch und Englisch Befehle. Seine beiden Söhne Alejandro und Juan Carlos waren bereits mit den besten Präzisionsschützen und einem halben Dutzend Raketenwerfern auf dem Dach. Sie säumten den Rand des Daches wie zum Abfeuern bereite Leuchtkugeln, die am amerikanischen Unabhängigkeitstag abgeschossen wurden.
    Jonah schlüpfte hinter eine kunstvoll verzierte schmiedeeiserne Abschirmung und platzierte sich so, dass er sowohl den Himmel als auch den Teil des Geländes, auf dem sich Calderones Männer verschanzt hatten, gut überblicken konnte. Er ging in die Hocke und verfluchte den Schwarm schwarzer Mücken, der über seinem Kopf tanzte. In Erwartung des Kommenden verspürte er ein unangenehmes Kribbeln im Nacken, während sich sein Magen schmerzhaft zusammenkrampfte. Dabei hatte es einmal eine Zeit gegeben, in der er das, was sich gleich ereignen würde, genossen hatte. Aber das war vorbei. Er arbeitete schon verdammt lange als verdeckter Ermittler. Wahrscheinlich zu lange. Oder vielleicht wurde er für dieses Leben einfach langsam zu alt. Als Junge hatte er begeistert Räuber und Gendarm gespielt, und so war er dann zu seinem Beruf gekommen. Aber inzwischen war er längst kein Junge mehr, und ihm wurde immer klarer, dass seine beste Zeit in diesem Beruf vorbei war. Und dass es Zeit wurde aufzuhören, Zeit, diese Männer hier vor Gericht zu bringen und seine selbst gewählte Isolation zu beenden.
    Das Geräusch eines herannahenden Flugzeugs beendete seine Überlegungen. Er spannte sich an
.
    Als direkt über seinem Kopf ein Telefon klingelte, schrak Jonah aus dem Schlaf hoch. Er sprang mit dem Sturmgewehr im Anschlag auf und brüllte etwas auf Spanisch. Schnell schaute er sich in dem Raum um, in dem irrigen Glauben, immer noch in das Feuergefecht in Kolumbien verwickelt zu sein, immer noch Agent Danny Cordells Gehirn auf seiner Hose wähnend. Fast körperlich spürte er den Rückschlag seines Gewehrs, als er Alejandro Calderone in Notwehr erschoss – ohne zu wissen, dass Miguel Calderone, der bereits festgenommen worden war, alles mit angesehen hatte.
    Schließlich wurde Jonah klar, dass er nicht in Kolumbien, sondern in seinem Apartment war. Er drehte sich um und schaute auf das Telefon, das immer noch klingelte. Da er keine Lust hatte, mit irgendjemandem zu reden, wartete er, bis sich der Anrufbeantworter einschaltete, und verließ dann das Zimmer.
    Er hatte die Küche seit seiner Rückkehr nicht mehr als zwei Mal betreten, und das Einzige, wofür er sich interessiert hatte, war die Kaffeemaschine auf dem Tresen gewesen. Auch jetzt ging er schnurstracks darauf zu, blieb dann aber ruckartig stehen, weil sich etwas Winziges, Hartes schmerzhaft in seine nackte Fußsohle gebohrt hatte. Mit gerunzelter Stirn bückte er sich, untersuchte seinen Fuß und zog schließlich etwas aus der Unterseite seines großen Zehs.
    „Was zum Teufel …?“
    Es war ein steinhartes Reiskorn. Da er erst vor knapp vierundzwanzig Stunden nach Hause gekommen war, musste es also schon seit mindestens sechs Monaten hier liegen. Auf den Tischen und Stühlen war eine Staubschicht, und auf dem Fußboden an der Wohnungstür stapelten sich die Werbeprospekte, die im Laufe des letzten halben Jahres durch den Postschlitz geworfen worden waren. Für seine regelmäßig wiederkehrenden Kosten hatte er schon vor langer Zeit Daueraufträge eingerichtet, sodass keine Rechnungen liegen geblieben waren. Nur geputzt worden war während seiner Abwesenheit nicht, weil er nicht wollte, dass Fremde in seine Wohnung kamen, solange er nicht da war, auch wenn es bei seiner Rückkehr noch so staubig sein würde. Jetzt, da er wieder zurück war, konnte er jederzeit einen Reinigungsdienst rufen, aber im Moment war der Kaffee für ihn das Wichtigste.
    Er warf das Reiskorn ins Spülbecken, dann füllte er Wasser in die Kaffeemaschine und öffnete den Kühlschrank. Als er sah, dass die Kaffeedose
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