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Eine fast perfekte Lüge

Eine fast perfekte Lüge

Titel: Eine fast perfekte Lüge
Autoren: Dinah McCall
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leer war, stöhnte er laut auf.
    „Verdammter Mist“, brummte er, während er die Kühlschranktür zuknallte und dann in die kleine Speisekammer ging, wo er in seinem mageren Vorratsbestand herumkramte. Er entspannte sich erst, als er ein kleines Glas Pulverkaffee entdeckte, dessen Inhalt gerade noch für eine Tasse ausreichte. Da er nicht warten wollte, bis das Wasser kochte, schüttete er das Kaffeepulver in den größten Kaffeebecher, den er auftreiben konnte, ließ heißes Wasser darüber laufen und trank dann gierig den ersten Schluck. Der schmeckte scheußlich und war nicht einmal richtig heiß. Aber zumindest enthielt das Gebräu ausreichend Koffein und erinnerte entfernt an Kaffee.
    Mit einem leisen zufriedenen Aufstöhnen rollte er seinen Kopf hin und her, um seine angespannte Schultermuskulatur zu lockern; dann ging er, unterwegs ab und zu einen Schluck trinkend, ins Bad.
    As er aus der Dusche stieg und sich abtrocknete, erhaschte er einen kurzen Blick auf sich selbst im Spiegel. Ohne dass es ihm bewusst war, fielen seine Arme herab, während er sein Gesicht eingehend musterte. Nicht dass ihn der struppige Bart oder die langen Haare schockiert hätten, so etwas war bei einer verdeckten Ermittlung normal. Aber sein leerer Blick war keine Verkleidung.
    Er war ausgebrannt.
    Diesen Blick hatte er schon früher gesehen, wenn auch nicht bei sich selbst. Nachdenklich wandte er sich ab, schnappte sich den Kaffeebecher und schüttete ein wenig gereizt den letzten Schluck der lauwarmen Brühe hinunter. Nachdem er den Becher wieder abgestellt hatte, nahm er eine Schere aus dem Spiegelschrank und begann seinen Bart zu stutzen. Wenig später verließ er frisch rasiert, die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und mit knurrendem Magen das Bad. Natürlich hatte er gestern nach seiner Rückkehr nicht mehr daran gedacht, einkaufen zu gehen, sondern war geradewegs nach Hause gefahren, hatte die Tür hinter sich abgeschlossen und war, noch bevor er ins Bad gekommen war, erschöpft auf der Couch eingeschlafen. Obwohl er all das, wenn er nicht so müde gewesen wäre, ganz genauso gemacht hätte, da er dazu neigte, sich zu verkriechen. Aber das war er nicht bereit zuzugeben – nicht einmal vor sich selbst.
    Doch wenn er weiterhin funktionieren wollte, musste er jetzt auf der Stelle zu Denny’s frühstücken gehen und sich anschließend im Supermarkt die nötigsten Dinge besorgen. Blitzschnell zog er sich an und schnappte sich seine Autoschlüssel von einem kleinen Tisch in der Diele. Erst in diesem Moment fiel ihm ein, dass vorhin jemand angerufen hatte. Als er das blinkende Licht des Anrufbeantworters sah, erwog er, es einfach zu übersehen, doch dann hinderte ihn sein Pflichtbewusstsein daran. Vielleicht hatte ja auch Carl angerufen. Wie froh war er gestern doch gewesen, den alten Freund mit dem üblichen Grinsen aus dem Hubschrauber springen zu sehen, um zu helfen, Calderone die Handschellen anzulegen. Es war ihr erstes Wiedersehen seit sechs Monaten gewesen. Jonah drückte auf den Wiedergabeknopf des Anrufbeantworters und zog die Stirn in Falten, als er eine unbekannte weibliche Stimme sagen hörte:
    „Was du genommen hast, soll auch dir genommen werden.“
    Das war alles. Jonah fühlte sich einen Moment lang beunruhigt, doch dann verließ er, die kryptische Botschaft einfach ignorierend, mit dem Autoschlüssel in der Hand seine Wohnung. Es reichte eigentlich schon, dass man Telefonmarketing über sich ergehen lassen musste, doch jetzt schienen auch noch irgendwelche obskuren Sekten diesem Beispiel zu folgen. Wenn die Fernsehprediger dazu übergingen, ihre Schäfchen übers Telefon anzuwerben, bräche irgendwann womöglich die gesamte Telekommunikation zusammen.
    Drei Stunden später stellte er sein Auto wieder auf dem Parkplatz vor seinem Haus ab und stieg, beladen mit einer Tüte voller Lebensmittel in jedem Arm, aus. Statt des Pferdeschwanzes trug er seine schwarzen Haare jetzt zentimeterkurz. Die neue Frisur symbolisierte, dass er die Geschehnisse der vergangenen sechs Monate hinter sich gelassen hatte. Deshalb fühlte er sich gleich ein paar Pfunde leichter, als er auf das Apartmenthaus zuschlenderte, in dem er wohnte.
    Erst kurz vor der Eingangstür sah er die Frau, die ihm den Weg verstellte. In der Erwartung, dass sie einen Schritt beiseite treten und ihn durchlassen würde, blieb er stehen, aber sie nannte ihn beim Namen und kam auf ihn zu.
    Mercedes Blaine hatte Angst – so große Angst wie noch nie
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