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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau
Autoren: L Lander
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vor, und das Urteil wurde am 21. Februar um zehn Uhr verlesen. Er wurde dazu verurteilt, eine Zahlung von 2000 Mark Strafe zu leisten. Außerdem verlor er von jenem Tag an das nationale Stimmrecht.
    Die Strafe hat Mikkola nie bezahlt. Zwar wurde sie oft angemahnt, aber der Bauer erklärte stets, alles, was an Geld nach den Lohnzahlungen übrig bleibe, werde für den Kauf von Futtermitteln benötigt.
    Und das glaubten sie. Allerdings wurden die sechs besten Pferde als Pfand für das Bußgeld beschlagnahmt, aber nur zwei davon nahmen Rotgardisten an sich, und auch die erst, als sie flohen.
    Beim erneuten Lesen von Mikkolas Erfahrungen im Februar 1918 fiel mir eine Bemerkung auf, die ich beim ersten Mal völlig übersehen hatte. Er berichtet, auf dem Weg zum Revolutionsgericht, wo er sich sein Urteil anhören sollte, habe er in der Kanzlei des Lebensmittelkomitees, die sich in der Nähe des Bahnhofs Halikko befand, vorbeigeschaut. Den Grund dafür nennt er nicht.
    Als ich gegen 9 Uhr dort war, brachten unbekannte Männer mit einem Pferd die Leiche des in der Nacht zuvor an der nach Angelniemi führenden Landstraße ermordeten Ziegeleikassiers E. Penkere.
    Mit dieser Tragödie beendete ich meine Lektüre, löschte das Licht und ging ins Bett, aber noch beim Einschlafen kreiste die Frage in meinem Kopf, warum Mikkola, der ansonsten alles so detailliert beschreibt, nicht erzählt, welche Art von Angelegenheit er an jenem Morgen beim Lebensmittelkomitee zu erledigen hatte. Klar war nur, dass Mikkola, der Bauer, und Joel Tammisto, der Vorsitzende des Lebensmittelkomitees, sich gut kannten. Und Joel kannte auch den einflussreichen Richter Sahlberg.
    Aufgrund der Quellen wäre es leicht, zynische Gründe dafür zu finden, warum Joel Tammisto letzten Endes nicht in einem der berüchtigten Gefangenenlager landete, sondern im wesentlich humaneren Bezirksgefängnis Turku, und warum er dort auch noch eine besondere Behandlung genoss. Die Eine-Hand-wäscht-die-andere-Politik ist kein Phänomen unserer Zeit. Aber ebenso wie Joels Handeln kann man auch seine Rettung als unwiderlegbares Zeugnis dafür ansehen, dass man mit Terror und Gewalt zwar einen Menschen töten kann, nicht aber die Menschlichkeit in allen Menschen.

Sakari, 35
    Halikko, Juni 1918
    Es gibt einen Tag, von dem noch nicht die Rede gewesen ist und unter dessen Datum Joel lediglich notierte, er sei erneut nach Halikko gebracht worden, um am Fluss zu roden. Sonst war an jenem Tag im Juni 1918 nichts Erwähnenswertes passiert. Jedenfalls nichts Außergewöhnliches und Besonderes. Es konnte und durfte nichts dergleichen geschehen, denn außergewöhnliche und besondere Ereignisse haben immer Folgen. Aber es gibt absolut keine Folgen, die mit jenem leicht windigen Sommertag auf der zum Gut Joensuu gehörenden Überschwemmungswiese in Verbindung stehen, wo drei rote Gefangene die Böschungen am Fluss rodeten. Wer etwas anderes behauptet, erzählt Märchen oder lügt. So wurde es übereinstimmend von den an jenem Tag dort anwesenden Personen vereinbart.
    Das Bild sieht so aus: Drei noch im Verhör befindliche Männer werden zum Roden an die Flussmündung an der Halikko-Bucht gebracht. Die Bauern, die sich das Frühjahr über mit der Saat und dem Bestellen der Felder abgemüht hatten, haben gegenüber der Führung des Schutzkorps ihren wachsenden Unmut darüber zum Ausdruck gebracht, dass im Magazin der Genossenschaft und an anderen Gewahrsamsorten Männer faul herumliegen, die ohne Einschränkung zu nützlicher Arbeit fähig wären.
    So fängt man nach und nach an, rote Untersuchungsgefangene zum Arbeitseinsatz an verschiedenen Stellen zu fahren. Eine Gruppe von drei Männern aus Vartsala wird auf die Ländereien des Guts Joensuu gebracht, um die Wiesen an der Flussmündung zu roden, damit sie als Pferdeweiden benutzt werden können. Man drückt Sakari Salin und Kustaa Vuorio, die in einer Zelle bei der Polizei in Salo in Gewahrsam sind, sowie dem aus Turku herbeigeschafften Joel Tammisto Hippen in die Hand und teilt ihnen als Wächter den mit einem Gewehr bewaffneten Arvi Malmberg vom Gut Joensuu zu.
    Für Sakari ist die Abkommandierung eine große Erleichterung. Eine Sommerwiese sticht die Polizeizelle in Salo allemal aus, wo nur die wiederholten Rufe zum Verhör die quälend langen untätigen Stunden unterbrechen. Die Arbeit am Fluss ist körperlich anstrengend, und Sakaris Kräfte haben wegen des schlechten Essens in der Gefangenschaft nachgelassen, dennoch rodet er gern
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