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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau
Autoren: L Lander
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ein Wasserkopf bumst.«
    Sakari schaut auf Saida, die mit erhobenem Kopf zurückkommt. Sie tritt vor ihren Mann hin, nimmt ihm die scharf geschliffene Hippe ab und schlägt ohne zu zögern und mit voller Wucht Anders Holm damit gegen den Hals. Das Lederband, das um seinen Hals hängt und mit dem Pistolengriff verbunden ist, reißt, und die Klinge der Hippe dringt tief zwischen Schulter und Hals ein. Mit verdutztem Gesicht bricht Anders zusammen und fällt auf Kustaa. Das Blut, das mit hohem Druck aus der Schlagader schießt, färbt Kustaa und das Gras unter ihm rot.
    »Nein, wir werden nicht mehr sehen, wie ein Wasserkopf bumst.«
    Anders Holm wird bis auf die Unterwäsche ausgezogen. Seine Hose, seine Gamaschen, die Militärstiefel und die Lederjacke werden im Weidenfeuer verbrannt. Seine Papiere, das Portemonnaie mitsamt den Scheinen und der Kommandierungsbescheid verbrennen mit den Kleidern. Sein Klassenring und die mit einem Adlerkopf verzierte Taschenuhr werden vom Teppichsteg ins Wasser geworfen. Saida reißt einen Streifen von ihrem roten Kleid ab, das sie dem Toten um den Oberarm binden. Aus der Scheune holen sie einen Jutesack und füllen ihn mit Steinen. Die Leiche wird an den Sack gebunden und in einer Vertiefung versenkt, die der Gegenstrom in den Grund des Flusses gegraben hat.
    Zwei Wochen später wird der Tote wieder herausgeholt und in einer Strohfuhre versteckt. Arvi fährt die Leiche in der Nacht nach Märynummi, wo man damit begonnen hat, die inzwischen unerträglich stinkenden Erschossenen tiefer zu vergraben. Arvi wirft Anders Holms Leiche zu den 49 roten Opfern ins offene Grab und bedeckt auch ihn mit Kalk aus der am Rand der Grabung abgeladenen Fuhre.

Vartsala, 10. Juli 2009
    Der alte Tammisto war leicht beschwipst, als ich ihn zum letzten Mal besuchte. Er erzählte mir von dem unruhigen Greisengerede seines Onkels Joel Tammisto, wenngleich er hinzufügte, der Onkel habe schon immer eine lebhafte Fantasie gehabt. Joel Tammistos Reden mochten zusammenhanglos gewesen sein, doch als Historiker gehöre ich der gleichen Schule an wie er. Die Geschichte kennt keine Musterzeichnungen, keinen Mörtel und keinen Betonsockel. Die Geschichte ist ein loses Gefüge.
    Ich nahm die Kopie von Joel Tammistos Verhörprotokoll zur Hand, die ich mir im Nationalarchiv besorgt hatte. Der Untersuchungsrichter des Hochverratsgerichts fragt den Angeklagten, was er über die im Februar 1918 begangenen Morde an Munck und Penkere weiß.
    Im Jahr 1918 wurden viele Menschen aus unterschiedlichen Gründen getötet. Man müsste wohl jeden unnatürlichen Tod für ein Verbrechen halten. In der weißen Propaganda war viel von den Mordtaten der Roten die Rede, aber es wurden dennoch keine polizeilichen Mordermittlungen eingeleitet. Das Wort Mord wurde als Verbrechensbezeichnung nicht benutzt.
    So ist manche Tat als Mord bezeichnet, jedoch nicht als solcher untersucht worden. Bereits in den 1880er Jahren wurde das an die Maximalstrafe gebundene Verjährungsprinzip ins Strafgesetz aufgenommen. Dieses Prinzip lässt sich in der Aussage »Mord verjährt nicht« verdichten. Falls Munck und Penkere ermordet wurden, hätten die Fälle auch als Morde untersucht werden müssen. Und wenn über die Verbrechen neue Erkenntnisse auftauchen, müssen die Ermittlungen erneut aufgenommen werden.
    Ich glaube, allein durch die Lektüre der Erinnerungen des Landwirts Mikkola neue Erkenntnisse darüber gewonnen zu haben. Das Schutzkorps Halikko versuchte während des gesamten Krieges Waffen zu beschaffen. Dafür brauchte man Geld. Ich verstehe nicht, wo das Schutzkorps im roten Finnland glaubte, Waffen kaufen zu können, aber der aufrichtige Mikkola spricht oft über dieses Thema. Man muss davon ausgehen, dass sie gedacht haben, sie kämen an die Waffen schon heran, wenn sie sich nur erst das Geld dafür beschafften. Dieses bekamen sie aus der Kasse der Ziegelei Marttila, die Penkere verwaltete. Penkere nahm schlicht und einfach das Geld der Ziegelei an sich, konfiszierte es für vaterländische Zwecke.
    Munck scheint es sich mit seinen Söhnen und Neffen zur Aufgabe gemacht zu haben, das Geld über die Frontlinie zu schleusen. Bestand seine Absicht darin, es im weißen Finnland gegen Waffen zu tauschen und damit den Roten in den Rücken zu fallen? Ein ziemlich außergewöhnlicher Plan. Der Senat hatte die allgemeine Wehrpflicht angeordnet. Wäre Munck mit seinen Söhnen und Verwandten auf die weiße Seite gekommen, hätte man sie auf der Grundlage
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