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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau
Autoren: L Lander
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mit der Zweihandhippe das zottige Weidengestrüpp. Joel Tammisto arbeitet neben ihm, Kustaa jedoch bringt lediglich hilfloses Herumfuchteln zustande. Die unausgesprochene Vereinbarung sieht darum vor, dass Kustaa die Aufgabe übernimmt, die abgeschlagenen Äste und Stämme einzusammeln und direkt am Wasser zu verbrennen.
    Arvi geht oben auf der Böschung hin und her. Er trägt das Gewehr auf dem Rücken und hat sich in sein Schweigen eingeschlossen. Sakari, der immer noch in die Mangel genommen wird, weil sein Sohn auf Seiten der Roten gekämpft hat, wirft ihm gelegentlich Blicke zu, die tiefe und ewige Dankbarkeit ausstrahlen, vor allem aber Kontakt suchen, doch Arvi wendet sich ausdruckslos ab und setzt seinen einsamen Marsch fort.
    Dank Arvi erhält Saida endlich die Gelegenheit, ihrem Mann von dem frühen Morgen im Frühling zu erzählen, den sie nie vergessen wird. Am 16. Mai klopfte es vor Sonnenaufgang leise bei den Salins an der Tür. Als die erschrockene Saida öffnete, sah sie den blassen und verschwitzten Arvi Malmberg vor sich stehen, der sie aufforderte, sofort etwas zu essen einzupacken und ihm zu folgen. Bei Sonnenaufgang fuhren sie mit dem Pferdewagen nach Vaskio, wo es zu einer Scheune auf einer abgelegenen Wiese ging. In dieser Scheune zeigte Arvi auf einen dünnen Jungen, der zusammengerollt im Heu lag und fest schlief. Es war ihr Viki, der da lag, völlig erschöpft, doch lebendig.
    Der Junge wurde nach Rymättylä zur Familie Hellmann gebracht, die Saida kannte. Dort wähnte und hoffte man ihn jedenfalls vorläufig in Sicherheit. Der Fischer, der auf seiner eigenen Insel lebte, lieferte seit bald 20 Jahren Fisch ans Herrenhaus Joensuu und war zum guten Bekannten der alten Malmbergs und damit auch von Saida und Arvi geworden.
    Der glückliche Zufall wollte es, dass General Mannerheim ausgerechnet an jenem Tag im Mai in Helsinki die große Siegesparade abnahm. So trafen Arvi, Saida und Viki auf keinen einzigen Schutzkorpsangehörigen, als sie über Paimio und Lieto nach Askainen fuhren. Dort borgten sie sich ein Boot, mit dem sie die knapp zwei Kilometer zur Insel der Fischerfamilie ruderten.
    Sakari und die anderen Gefangenen müssen ihrem schweigenden Wächter für vieles dankbar sein. Auch dafür, dass er den Frauen in Vartsala durch Saidas Vermittlung erlaubt, ihnen Essen zu bringen.
    Solange Sakari auch gedarbt hat – es gerät in dem Moment in Vergessenheit und wird nebensächlich, als er die hochgewachsene Gestalt seiner Frau im roten Kleid am Rand der Wiese auftauchen sieht. Der Anblick raubt ihm den Atem und will ihm das Herz zerspringen lassen.
    Als Saida zwei Tage zuvor zum ersten Mal zur Wiese gekommen ist, hat Sakari an ihrem schockierten, unvermeidbar tränenverhangenen Blick seinen elenden Zustand ablesen können. Aber seine Frau ist ihrem Charakter treu geblieben, sie hat sich schnell gefasst und dann nur noch vor Freude über das Wiedersehen gestrahlt.
    Heute bekommt auch Joel eine gute Nachricht zu hören: Seine Frau Selma, die zwei Wochen zuvor im Würgegriff einer schweren spanischen Grippe ins Dorf zurückgekehrt ist, hat man so weit gesund pflegen können, dass sie schon die meiste Zeit des Tages auf den Beinen ist und verschiedene Kniffe lernt, wie man die spärlichen Nahrungsmittel verlängert und mit Hilfe von Brennnesseln, Löwenzahn oder Johannisbeerblättern schmackhafte oder zumindest die Gesundheit stärkende Mahlzeiten zubereitet. In dem Moment, da Saida Joel ein selbstgebackenes Brennnesselbrot als Mitbringsel von seiner Frau überreicht, meint Sakari in Joels Augen etwas Feuchtes schimmern zu sehen. Kustaa wird durch die von seiner Schwester Esteri geschickten Gaben zwar nicht in den Zustand der Rührung versetzt, macht sich aber mit gutem Appetit darüber her.
    »Willst du nicht auch einen Bissen, Arvi?«, ruft Saida.
    Aber Arvi schüttelt nur den Kopf und stapft stumm weiter.
    »He, was ist das denn?«, fragt Kustaa, der sich die Brotkrümel von der Jacke pickt.
    Am Horizont taucht ein schwarzer Punkt auf, wächst schnell und wird zu einem Luftschiff, das über ihren Köpfen einen Bogen fliegt.
    »Ein Schetinin-Flugboot«, stellt Joel düster fest. »Aber was, zum Teufel, hat das hier zu suchen?«
    »Was …?«
    »Die Schlächter haben die aus Schweden bekommen. Oder aber die Schweden fliegen damit noch hier herum. Der hat doch nicht vor zu landen, verdammt noch mal?«
    »Und ob, zum Donnerwetter!«
    Die Maschine verliert an Höhe, und auch ihr Motor scheint
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