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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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bin ich jetzt ohne Dich und setze mich nun voller Freude nieder, Dir zu schreiben. Dies ist mein wahrer und größter Trost, auch wenn ich nur über allernichtigste Dinge berichte. [...] Den Kindern und den Behrsens geht es gut. Heute morgen ging ich ziellos im Haus umher und fühlte mich sehr einsam und unglücklich. Tee trank ich ganz allein. [...] Nach dem Essen habe ich die Wirtschaft inspiziert, geschaut, ob die Pferde gefüttert waren, und bemerkte, daß sie kein Brot bekommen hatten. Ich rief den Starosta 86 und ordnete an, Brot zu füttern, sollen sie nur wissen, daß ich mich kümmere, das ist doch das Wichtigste, oder? Dann war ich beim Vieh und werde, wie Du gebeten hast, mich auch um die Bienenzucht kümmern, ich versuche, zweimal täglich dorthin zu gehen. [...] Kusminski 87 ist heute nicht hier, aber er kommt morgen. Er ist eigentlich gar nicht übel, und ich habe ihn gern, ungeachtet dessen, wie Du ihn findest. Schlimm ist nur eines, nämlich daß es keine Liebe ist. Tanja erklärte mir heute ganz aufbrausend und echauffiert, daß es zwischen ihnen keine flammende Liebe geben könne, da sie einanderbereits so lange kennen und schon früher ineinander verliebt gewesen seien. Warum dann die Ehe? Wozu? Dies alles ist ein wenig schleierhaft und bedrückend. Ganz im Gegensatz zu uns, da ist alles klar und schön. Und der Liebe ist allzuviel, es ist jedesmal so schwer, sich voneinander zu trennen, und stets habe ich Angst um Dich. Daß Tanja sich mit dieser kleinen und jugendlichen Liebe Saschas abfindet, kann ich einfach nicht verstehen. Ich weiß ja, daß Du mich liebst, und doch wünsche ich mir mitunter, daß Du mich noch mehr liebtest, zweifle, will Beweise, suche herauszufinden, ob Du mir aus irgendeinem Grunde böse bist, will, daß Du mir immer wieder sagst, daß Du mich liebst, liebst, liebst. – Ljowotschka, [...] ich stelle mir vor, wie Du Dich voller Energie an Deine Angelegenheiten gemacht hast; wie nur wirst Du alles zu Ende bringen? Sei um Gottes willen bedachtsam, heiter, überwirf Dich mit niemandem, achte auf Deine Gesundheit und denke oft an mich, sorge Dich nicht um uns, ich passe auf alle auf und werde auch selbst keine Dummheiten machen. Und wisse, welche Freude es mir machen wird, wenn Du früher zurückkommst. [...] Ljowotschka, [...] ich erwarte Dich au plus tard 88 am Samstag zurück. Dies schreibe ich, tatsächlich aber erwarte ich Dich schon Mittwoch, Donnerstag, Freitag. Lebe wohl mein Liebster, ich küsse Dich fest, zärtlich und leidenschaftlich. [...] Ich gehe nun zu Bett. Wo magst Du nur heute abend sein? Sicher bist Du schon angekommen.
    Sonja
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [18. Juni 1867]
    [Moskau]
    Es lastet auf meinem Gewissen, daß ich Dir, liebe Freundin, gestern nicht schrieb, aber es ist wohl auch besser so, denn gestern hätte ich Dir einen garstigen Brief geschrieben, denn ichwar nicht bei Laune. [...] Bartenjew 89 kommt morgen aus Petersburg zurück, und ich werde ihn treffen. Ich werde sehr froh sein, wenn ich mit ihm übereinkomme und auf Katkow verzichten kann. Was die Illustrationen betrifft, so sagte Baschilow, daß sie für die erste Auflage wohl nicht fertig werden. [...]
    Heute war ich bei Sacharin 90 , traf ihn nicht an, aber er ist in Moskau. Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen und um einen Termin gebeten. Sollte er sich nicht melden, so werde ich übermorgen Kissinger Heilwasser kaufen, nach Jasnaja schicken lassen und zu trinken beginnen, wie A[ndrej] Je[wstafjewitsch] es mir rät.
    Als ich mich gestern Moskau näherte mit seinem Staub und den Menschenmassen, seine Hitze spürte und seinen Lärm vernahm, ward mir so schrecklich zumute, daß ich schnell wieder unter Deine Fittiche kriechen möchte. Ich liebe Dich jedesmal, wenn ich nicht bei Dir bin, nur noch mehr. [...]
    Heute abend geht es mir besser, ich hoffe, morgen gesund zu sein. Diese Erschöpfung hat aber auch etwas Gutes. Denn wäre ich nicht in diesem Zustand, so wäre es mir nicht eingefallen, Sacharin aufzusuchen, und ich hätte nicht begonnen, Heilwasser zu trinken, welches auch er vermutlich verschreiben wird und welches auf jeden Fall zuträglich ist. Was machen Deine Zahnschmerzen? Gehst Du denn tatsächlich baden? Wie sehr ich Dich doch liebe! Du bist mir lieber, reiner, ehrlicher, teurer und wertvoller als alle auf der Welt. Ich betrachte die Portraits Deiner Kindheit und bin glücklich.
    Ich werde wahrscheinlich schon bald abreisen, denn alles hier
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