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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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nervliche Zerrüttung und die Gallensteine will er mit Karlsbader Heilwasser behandeln. [...]
    Ich fühle mich heute vollständig gesund, und je näher das Ende unserer Trennung rückt, desto weniger versuche ich, an Dich und das mir, ungeachtet der Tagelöhner und Gehilfen, so liebe Jasnaja zu denken. Noch darf ich meinen Empfindungen keinen freien Lauf lassen und muß, wie immer in der Stadt, chaotisch und rastlos, meine Angelegenheiten hier zu Ende bringen.
    Lebe wohl, Liebste. – Ich küsse Mamá, Tantchen und die Kinder.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [27. September 1867]
    [Moskau]
    Gerade bin ich aus Borodino 97 zurückgekehrt. Ich bin sehr, sehr zufrieden mit meiner Reise und damit, wie ich sie ungeachtet des fehlenden Schlafes und des unregelmäßigen Essens überstanden habe. Möge Gott mir Gesundheit und Ruhe geben, dann werde ich die Szenen der Schlacht von Borodino derart beschreiben, wie es noch nicht dagewesen ist. (Immerfort lobt er sich selbst!)
    Ich habe Dich, im Klosterbett liegend, im Traum gesehen, und es war derart nachdrücklich, daß ich mich an diesen Traumwie an etwas tatsächlich Geschehenes erinnere, und ich denke voller Angst an Dich.
    [...]
    Dort erhielt ich Deine beiden Briefe. 98 [...] Es wurde mir durch Deine Briefe ganz wohl ums Herz, denn Du bist in ihnen. Du legst Dein Bestes in die Briefe an mich und in Dein Nachsinnen über mich. Im Alltag wird dies allzuoft erstickt von Deiner Garstigkeit, Deiner Streitsucht. [...] Deine Briefe, mein Herz, sind mir das größte Vergnügen und denke doch nicht solchen Unsinn, daß ich sie den anderen zu lesen gebe.
    In Borodino fühlte ich mich wohl und hatte das Gefühl, daß ich etwas Wichtiges erledige; hier in der Stadt ist es mir unerträglich, obgleich Du sagst, ich liebte die Vergnügungen hier. Ich wünschte mir so sehr, daß Du nur einen zehnten Teil dessen, wie ich es tue, das Leben auf dem Land liebtest und die Vergnügen des Stadtlebens haßtest. [...] Lebe wohl, Liebste, ich küsse Dich und die Kinder.
    27.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    6. [November 1867]. Montag. Am Abend.
    [Jasnaja Poljana]
    Deinen Brief, den Du mit den Pferden geschickt hast, lieber Ljowotschka, habe ich erhalten. [...] Ich war schrecklich glücklich, daß Du mir schriebst, vor allem darüber, was Du schriebst. Welchen Ärger könnte ich denn gegen Dich verspüren? Ich erschrecke vor mir selbst nach jedem, selbst dem kleinsten Streit und fühle mich jedesmal ganz hoffnungslos schuldig, und allein deshalb fühle ich mich bemitleidenswert. Heute war ich sehr niedergeschlagen, da Du, wie es schien, voller Ärger fortfuhrst, und ich war sehr glücklich darüber, daß Du mir nicht zürnst. Ich warte so sehr auf den Befund Sacharins bezüglich Deiner Gesundheit und Deiner Lungen, die mirschreckliche Sorgen bereiten. Nur daran habe ich den ganzen Tag gedacht. [...]
    Weißt Du, jedesmal, wenn ich Dich erbose, erschrecke ich nicht darüber, daß ich einen so unverbesserlichen Charakter habe (dies weiß ich ja), sondern darüber, daß mein unverbesserlicher Charakter sich gegen Dich wendet, den zu betrüben, zu verletzen oder zu erzürnen, ich mich gar nicht imstande sehe. Du wirst sicher diese konfusen Gedanken nicht begreifen, doch mir ist das alles sehr klar. Lebe wohl, ich küsse Dich. Verpasse den Zug aus Moskau zurück nicht, denn ich werde sehr auf Dich warten.

1869
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    4. September [1869]. Abends.
    [Jasnaja Poljana]
    Es gibt Minuten, in denen ich mich ganz und gar verzweifelt fühle, da Du nicht bei mir bist, lieber Ljowotschka, und ich mir ausmale, was mit Dir geschehen sein könnte, besonders, wenn der Tag sich dem Ende neigt und ich des Abends müde mit meinen schwarzen Gedanken, meinen Zweifeln und Ängsten allein bin. Es ist eine solche Qual, ohne Dich zu sein. [...]
    Ich habe Alexandrines 99 Brief an Dich aus Liwadija 100 erhalten, den sie an Deinem Geburtstag geschrieben hat. Sie schreibt Dir viele Zärtlichkeiten und mich verdrießt dies. Sie ist ganz Verständnis für Deinen letzten Brief an sie und für Deine Verstimmungen, die Dich seit einiger Zeit quälen, für Deine Vorbereitungen auf den Tod, daß ich bei mir gedacht habe, es sei womöglich besser gewesen, wenn Du einst sie geheiratet hättest, denn ihr würdet einander besser verstehen, sie ist so sprachgewandt, besonders im Französischen. Eines aber bemerkte sie zurecht, nämlich,
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