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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan
Autoren: Carlos Castaneda
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getreten war, hatte er einen sehr munteren Eindruck gemacht und meine Anwesenheit klar wahrgenommen. »Worüber möchtest du sprechen?« fragte er schließlich.
    Seine Stimme klang müde; seine Worte kamen schleppend, eins nach dem anderen.
    Ich fühlte mich sehr unwohl. Es war, als sei seine Müdigkeit ansteckend und griffe auf mich über. »Nichts Besonderes«, antwortete ich. »Ich bin einfach gekommen, um mit dir freundlich zu plaudern. Du hast mich doch eingeladen, dich zu besuchen.« »Ja, aber das ist jetzt etwas anderes.« »Warum ist es etwas anderes?« »Sprichst du nicht mit Juan?« »Ja, doch.«
    »Und was willst du dann von mir?« »Ich dachte, ich könnte dir ein paar Fragen stellen.« »Frag doch Juan. Ist er nicht dein Lehrer?« »Das schon. Aber trotzdem möchte ich dir gern ein paar Fragen stellen über die Dinge, die er mich lehrt, und deine Meinung hören. Vielleicht weiß ich dann besser, was ich tun soll.« »Warum willst du das? Hast du kein Vertrauen zu Juan?« »Doch, das habe ich.« »Warum läßt du dir dann nicht von ihm sagen, was du wissen willst?« »Das tu ich ja, und er sagt mir auch alles. Aber wenn du mir zusätzlich etwas darüber erzählen könntest, was Don Juan mich lehrt, dann würde ich es vielleicht besser verstehen.« »Juan kann dir alles sagen. Nur er allein kann das. Verstehst du das nicht?«
    »Doch, aber außerdem würde ich gern mit Leuten wie dir sprechen, Don Elias. Man trifft nicht jeden Tag einen Wissenden.« »Juan ist ein Wissender.« »Ich weiß.«
    »Warum also willst du dich dann mit mir unterhalten?« »Ich sagte doch, ich wollte dich nur so als Freund besuchen.« »Nein, das stimmt nicht ganz. Du hast irgend etwas.« Ich versuchte mich besser auszudrücken, aber ich brachte nur ein zusammenhangloses Gemurmel hervor. Sacateca sagte kein Wort. Er schien aufmerksam zuzuhören. Seine Augen waren wieder halb geschlossen, aber ich hatte das Gefühl, als starre er mich an. Er nickte fast unmerklich, dann öffneten sich seine Lider und ich sah seine Augen. Es war, als schaute er an mir vorbei. Wie nebenbei klopfte er mit der rechten Fußspitze, genau hinter seiner linken Ferse, auf den Boden. Seine Beine waren leicht angewinkelt; seine Arme hingen schlaff herab. Dann hob er den rechten Arm. Seine Hand war geöffnet, wobei die Handfläche senkrecht gegen den Boden gerichtet war. Seine Finger waren gespreizt und deuteten in meine Richtung. Er schlenkerte ein paarmal die Hand, bevor er sie vor mein Gesicht brachte. Einen Augenblick hielt er sie in dieser Stellung, und dann sprach er einige Worte zu mir. Seine Stimme war sehr klar, obwohl seine Worte schleppend kamen.
    Dann ließ er die Hand zur Seite herabfallen und blieb regungslos in einer seltsamen Haltung stehen, wobei er sich auf den Ballen seines linken Fußes stützte. Sein rechter Fuß war hinter der linken Ferse verschränkt, und mit der rechten Fußspitze klopfte er rhythmisch und sanft gegen den Boden. Ohne jeden Anlaß befiel mich eine gewisse Furcht, eine Art Unruhe. Meine Gedanken schienen sich zu verselbständigen. Mir gingen zusammenhanglose, unsinnige Gedanken durch den Kopf, die nichts mit dem zu tun hatten, was hier vor sich ging. Mein Unbehagen wurde mir bewußt, und ich versuchte, meine Gedanken wieder auf die gegenwärtige Situation zu lenken, aber trotz großer Anstrengung gelang es mir nicht. Es war, als hielte mich irgendeine Macht davon ab, mich zu konzentrieren oder einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Sacateca hatte kein Wort gesagt, und ich wußte nicht, was ich noch sagen oder tun sollte. Ganz automatisch drehte ich mich um und entfernte mich.
    Später konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, Don Juan von meiner Begegnung mit Sacateca zu erzählen. Don Juan schüttelte sich vor Lachen. »Was ging dort wirklich vor?« fragte ich. »Sacateca tanzte!« antwortete Don Juan. »Er sah dich und dann tanzte er.«
    »Was hat er mit mir gemacht? Mir war ganz kalt und schwindlig .«
    »Offenbar mochte er dich nicht, und er wehrte dich ab, indem er einen Zauber gegen  dich einsetzte.«
    »Wie konnte er das?« rief ich skeptisch.
    »Sehr einfach, er wehrte dich mit seinem Willen ab.«
    »Was sagst du da?«
    »Er wehrte dich mit seinem Willen ab.«
    Diese Erklärung genügte mir nicht. Was er sagte, war für mich ungereimtes Zeug. Ich versuchte noch weiter in ihn zu dringen, aber er konnte den Vorfall nicht zu meiner Zufriedenheit erklären.
    Offenbar ließ sich dieser Vorfall, wie jeder andere,
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