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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz
Autoren: Håkan Bravinger
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oder falsch gewesen war, Poul zu treffen. Nun führte kein Weg mehr zurück. Jetzt hieß es alles oder nichts.
    »Wie war der Kongress?«, fragte er, ohne sich umzudrehen, und durchquerte mit entschlossenen Schritten das Bahnhofsgebäude. Wegen der vielen Menschen war es immer noch eng, auch wenn sich die Menge allmählich verlief. Er war froh, dass Poul nur die leichte Reisetasche dabei hatte und es ihnen erspart blieb, einen Gepäckträger aufzutreiben.
    »Sehr gut, sehr gut«, hörte er hinter seinem Rücken.
    »Freud ist auf dem besten Weg, die Kontrolle zu verlieren, jedenfalls wenn man dem Glauben schenken darf, was hier in den Zeitungen stand. Aber es ist wahrscheinlich Zeit für eine Veränderung, meinst du nicht?«
    »Die psychoanalytische Bewegung wird sich vermutlich in mehrere Richtungen aufspalten. Das war zu erwarten, nicht mehr und nicht weniger.«
    Pouls Stimme war seltsam abwesend, als sie durch die Bahnhofshalle gingen und ihren Weg zu dem kleinen Vorplatz an der Vasagatan fortsetzten. Erst dort blieb Andreas stehen und drehte sich um. Er stellte die Tasche ab und zeigte auf ein Hotelrestaurant auf der anderen Straßenseite.
    »Sollen wir dort kurz hineingehen?«
    »Und warum?«
    Poul zog ein Taschentuch heraus und wischte sich die tränenden Augen ab. Er blieb kurz so stehen, schüttelte den Kopf, ehe er das Taschentuch ausschlug, um es anschließend zu falten und seufzend in die Brusttasche zurückzustecken.
    »Mir ist bewusst, dass du müde bist von der Reise«, sagte Andreas. »Aber es gibt etwas, worüber ich mit dir sprechen muss.«
    »Du kannst natürlich reingehen«, erwiderte Poul und zuckte mit den Schultern. »Ich mache mich jedenfalls auf den Heimweg.«
    Er reckte sich nach der Tasche. Diesmal war es Andreas, der die Hand ausstreckte und sie auf der Erde hielt.
    »Poul«, sagte Andreas und sah seinem Bruder in die Augen, »ich würde dich nicht bitten, wenn ich mich nicht dazu gezwungen sähe.«
    »Wie gesagt, ich bin müde und möchte nach Hause.«
    »Wenn du jetzt fährst, sehen wir uns heute zum letzten Mal«, erklärte Andreas, ohne Pouls Blick auszuweichen. Er erhob nicht die Stimme, merkte jedoch selbst, wie gepresst er klang.
    »Du willst mich erpressen? Darum geht es hier? Um eine Erpressung?«
    Poul zischte die Worte förmlich heraus, und sein Blick unter den hochgezogenen Augenbrauen wurde messerscharf.
    »Nenn es, wie du willst«, antwortete Andreas mit sachlicher Stimme. »Ich würde es eine Chance für zwei Brüder nennen, eine Stunde zusammenzusitzen und sich über gewisse Dinge auszusprechen. Eine Stunde, Poul, das ist alles, was ich von dir verlange.«
    »Weiß Gunhild, dass du mich deshalb treffen wolltest?«
    »Wie meinst du das?«
    »Nun ja, weiß sie, dass du ihre Freundlichkeit ausgenutzt hast?«
    »Ich verstehe nicht, wovon du sprichst, Poul. Wenn du wissen willst, ob ihr klar ist, worüber ich mit dir sprechen möchte, dann lautet die Antwort: ja.«
    »Also hast du mit Gunhild gesprochen? Verdammt noch mal, was denkst du eigentlich, wer du bist!«
    Poul verlor endgültig die Beherrschung. Sein Gesicht lief hochrot an, er fuchtelte mit den Armen. Ein vorübergehendes Paar drehte sich um und musterte ihn, ohne stehen zu bleiben. Etwas weiter entfernt stand ein Mann und verfolgte interessiert ihr Gespräch, und eine Frau mit einem aufgespannten Sonnenschirm wandte sich hastig von ihnen ab.
    »Wenn du mir hier eine Szene machen willst, bitte, ich habe nichts dagegen«, sagte Andreas.
    Poul griff nach der Tasche und riss sie hoch, aber Andreas hielt dagegen, sodass sie eine Weile stehen blieben und beide an ihr zerrten.
    Das Ganze sah aus wie die Parodie eines Tauziehens, was beiden immer deutlicher bewusst wurde. Zu guter Letzt ließ Poul los, stampfte mit dem Fuß im Schotter auf und drehte sich um. Er verschränkte die Arme vor der Brust und wandte Andreas den Rücken zu.
    »Gunhild meinte, ich sollte so bald wie möglich mit dir sprechen«, sagte Andreas, erneut mit beherrschter Stimme, aber nach dem Kampf um die Reisetasche ein wenig außer Atem.
    Poul drehte sich um und trat ganz nahe an Andreas heran, so nahe, dass sich fast ihre Nasen berührten.
    »Wir machen jetzt Folgendes«, erklärte er und atmete tief durch. »Ich setze mich für eine Stunde mit dir zusammen, wenn du mir versprichst, dass du nie, nie wieder , mit Gunhild oder einem anderen in unserer Familie über Dinge redest, die mich betreffen, ohne dass du vorher mit mir sprichst. Und wenn du dieses
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