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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz
Autoren: Håkan Bravinger
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Versprechen brichst, werde ich dich auf jede denkbare Art verstoßen. Ich werde nie mehr mit dir sprechen, ich werde dir niemals finanziell zur Seite stehen, ich werde nie wieder auch nur deinen Namen erwähnen. Hast du mich verstanden?«
    Andreas nahm die Tasche und ging in das Hotelrestaurant.
    Restaurants, die eben erst ihre Pforten geöffnet haben, verströmen einen ganz bestimmten Geruch. Man nimmt ihn nur zu diesem Zeitpunkt wahr, denn wenn der Abend fortschreitet, vermischt er sich mit Zigarren- und Zigarettenrauch, der schwer über den Tischen hängt, und mit den Ausdünstungen der Menschen, mit Alkohol und Kaffeesatz.
    Nun aber roch man ihn deutlich, beim Eintreten schlug er Andreas und Poul entgegen. Eine gewisse Säuerlichkeit, als hätten sich Bier und Wein mit eingefressenen Essensgerüchen und Seife vermischt, wären dann aber dennoch verschimmelt und hätten sich in Böden und Wänden, Tischen und Stühlen festgesetzt. Der Geruch ist erstickend, hat nichts Einladendes.
    »Was macht dein Buch?«, erkundigte sich Poul und setzte sich Andreas gegenüber.
    Sie saßen in einer schummrig beleuchteten Nische; bis auf einen einsamen trinkenden Herren und zwei junge Männer, die vertraulich miteinander flüsterten, waren sie allein in dem Lokal. Hinter der Theke stand der Oberkellner, trocknete Gläser ab und behielt dabei den Schankraum im Auge.
    »Ich meine mich erinnern zu können«, fuhr er fort, »dass du es vor zwei Jahren dem Verlag geschickt hast. Das hast du doch, oder?«
    »Nein, das habe ich nicht. Und das weißt du auch ganz genau.«
    » Studien zur Psychologie des Mörders ist ein ambitionierter Titel, das muss ich schon sagen.«
    »Zur Psychologie des Mordes.«
    »Nichtsdestotrotz. Aber ist es nun fertig?«
    Andreas wandte das Gesicht ab und schaute mit leerem Blick zum Fenster hinaus. Pouls Art, das Kommando zu übernehmen, war für ihn nichts Neues. In diesen Momenten verlor er in der Regel die Beherrschung, wurde reizbar und vergaß all das, was er eigentlich hatte sagen wollen.
    Der Ober kam zu ihnen, und Poul bestellte schnell zwei Gläser Portwein. Erst nach längerer Zeit kehrten Andreas’ Augen zu Poul zurück.
    »Willst du es wirklich wissen, Poul? Das Buch ist fast fertig. Aber eine der Monographien ist noch nicht ganz abgeschlossen.«
    »Natürlich. Die Sache ist sicher sehr anspruchsvoll.«
    »Es ist der Teil des Buchs, in dem der Fall eines bestimmten Mörders aufgegriffen wird. Ich habe das Kapitel ›Angst‹ überschrieben … du hast das sicher auch schon einmal erlebt … wenn man spürt, dass man einen Menschen nicht richtig versteht, obwohl man weiß, dass man ihn eigentlich verstehen müsste. Wenn es etwas gibt, was man nicht zu greifen bekommt.«
    Poul überblickte den Raum und schwieg. Dann lächelte er zweimal kurz, sodass sein Schnurrbart auf und ab wippte. Der Ober stellte die Gläser auf den Tisch, und sie prosteten sich andeutungsweise zu. Pouls Schnurrbart war plötzlich das Einzige, was Andreas sah. Er fand, dass er größer geworden war, fast grotesk wirkte. Bald, dachte er, ist das Ding größer als er selbst. Diesen Nietzsche-Komplex seines Bruders würde er wohl nie verstehen.
    Poul ließ den Portwein einen Moment im Mund rollen, ehe er schluckte, sich zurücklehnte und die Arme verschränkte.
    »Du hast mir etwas zu sagen?«
    Andreas nickte, obwohl er jetzt in Gedanken bei seiner Arbeit war, bei allem, was im Laufe der Jahre schiefgegangen war. Dieses Gefühl flößte Poul ihm immer ein.
    »Ich habe dir vor geraumer Zeit einen Brief geschickt«, begann er zögernd.
    »So?«
    »Hast du ihn schon gelesen?«
    »Nein …«
    Es entstand eine kurze Pause.
    »… er muss nach meiner Abreise nach München gekommen sein«, sagte Poul.
    »Dann muss er verspätet zugestellt worden sein, was natürlich möglich ist, das macht nichts.«
    »Aber du kannst mir ja erzählen, was du geschrieben hast. Ich meine, wenn es das ist, worüber du sprechen willst, das, was in ihm steht, in dem Brief.«
    »Wenn du ihn noch nicht gelesen hast, möchte ich dich vielmehr darum bitten, ihn nicht zu öffnen, wenn du nach Hause kommst. Ich habe in ihm nämlich etwas sehr Persönliches über dich und mich geschrieben. Meine Worte waren als versöhnliche Geste gedacht, aber ich habe inzwischen eingesehen, dass der Zeitpunkt schlecht gewählt war. Deshalb erschien es mir so wichtig, dich zu treffen. Aber da du ihn noch nicht gelesen hast, möchte ich dich nur bitten, ihn erst später zu
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