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Mister Perfekt

Mister Perfekt

Titel: Mister Perfekt
Autoren: Linda Howard
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Prolog
    Denver, 1975
    »Das ist doch lächerlich!« Die Handtasche so fest umklammernd, dass die Knöchel weiß hervortraten, feuerte die Frau giftige Blicke auf den Schulleiter hinter seinem Schreibtisch ab. »Er hat gesagt, dass er den Hamster nicht angerührt hat, und mein Kind lügt nicht. Allein die Vorstellung!«
    J. Clarence Cosgrove war seit sechs Jahren Schulleiter der Ellington Middle School und hatte davor zwanzig Jahre lang als Lehrer gearbeitet. Er hatte reichlich Erfahrung im Umgang mit aufgebrachten Eltern, doch die große, dürre Dame ihm gegenüber und das wie betäubt neben ihr sitzende Kind zerrten an seinen Nerven. Er drückte sich nur ungern umgangssprachlich aus, aber die beiden waren total daneben.
    Obwohl er wusste, dass er auf Granit beißen würde, versuchte er sie zu überzeugen. »Es gab Zeugen -«
    »Mrs. Whitcomb hat ihn gezwungen, das zu sagen. Corin hätte dem Hamster nie im Leben wehgetan, nicht wahr, mein Schätzchen?«
    »Nein, Mutter.« Die Stimme war fast überirdisch süß, doch die Augen des Kindes ruhten kalt und ohne zu blinzeln auf Mr. Cosgrove, fast als wollte es abschätzen, wie weit es mit seinem Leugnen kommen würde.
    »Sehen Sie, ich habe es Ihnen ja gesagt!«, triumphierte die Frau.
    Mr. Cosgrove unternahm einen neuen Versuch. »Mrs.Whitcomb -«
    »- hat Corin vom ersten Schultag an nicht leiden können. Die sollten Sie sich mal vornehmen, nicht mein Kind!« Ihre Lippen waren vor Zorn nur noch ein Strich. 
    »Vor zwei Wochen habe ich mit ihr über die schmutzigen Ideen gesprochen, die sie den Kindern in den Kopf setzt. Dabei habe ich klargestellt, dass ich zwar nicht darüber bestimmen kann, was sie den übrigen Kindern erzählt, dass ich es aber auf gar keinen Fall dulde, wenn sie mit meinem Kind über -« Sie schoss einen Seitenblick auf Corin ab - »Sex spricht. Das versucht sie mir jetzt heimzuzahlen.«
    »Mrs. Whitcomb ist eine ausgezeichnete Lehrerin. Sie würde bestimmt nicht -«
    »Sie hat! Erzählen Sie mir nicht, dass diese Frau so etwas nicht tun würde, wenn sie es bereits getan hat! Ganz unter uns, ich würde ihr zutrauen, dass sie den Hamster selbst umgebracht hat!«
    »Der Hamster war ihr persönliches Haustier, und sie hat ihn mit in die Schule gebracht, um den Kindern beizubringen, was -«
    »Trotzdem hätte sie das Vieh umbringen können. Meine Güte, es handelt sich im Grunde doch bloß um eine bessere Ratte«, meinte die Frau abfällig. »Selbst wenn Corin den Hamster umgebracht hätte, was er nicht getan hat, würde ich nicht verstehen, was der ganze Aufruhr soll. Mein Kind wird schikaniert - schikaniert -, und das lasse ich nicht zu. Entweder Sie bringen diese Frau zur Räson, oder ich tue das selbst.«
    Mr. Cosgrove setzte seine Brille ab und polierte müde die Gläser, nur um sich irgendwie zu beschäftigen, während er darüber nachsann, wie er das von dieser Frau versprühte Gift neutralisieren konnte, und zwar bevor sie den Ruf einer ausgezeichneten Lehrerin ruiniert hatte. Sie zur Vernunft bringen zu wollen, war aussichtslos; bislang hatte sie ihn nicht einen einzigen Satz zu Ende sprechen lassen. Er sah kurz auf Corin; das Kind beobachtete ihn immer noch mit einer Engelsmiene, die kein bisschen zu diesen eiskalten Augen passen wollte.
    »Darf ich mal unter vier Augen mit Ihnen sprechen?«, fragte er die Frau.
    Sie sah ihn verdutzt an. 
    »Warum? Wenn Sie glauben, Sie könnten mir weismachen, dass mein kleiner süßer Corin -«
    »Nur einen Moment«, fiel er ihr ins Wort, ohne sich den winzigen euphorischen Adrenalinstoß anmerken zu lassen, weil diesmal er ihr das Wort abgeschnitten hatte. Ihrer Miene nach zu urteilen gefiel ihr das gar nicht. »Bitte.« Er hängte das Wort nach einer kurzen Pause an, obwohl ihm ganz und gar nicht nach Höflichkeit zumute war.
    »Also gut«, gab sie widerwillig nach. »Corin, Schätzchen, du wartest draußen. Du bleibst gleich bei der Tür stehen, wo Mutter dich sehen kann.«
    »Ja, Mutter.«
    Mr. Cosgrove stand auf und drückte die Tür energisch hinter dem Kind ins Schloss. Diese Wendung der Ereignisse, durch die das Kind aus ihrem Gesichtskreis verbannt wurde, schien sie so zu erschrecken, dass sie sich halb aus ihrem Stuhl erhob.
    »Bitte«, wiederholte er, »bleiben Sie sitzen.«
    »Aber Corin -«
    »- passiert bestimmt nichts.« Noch eine Unterbrechung zu seinen Gunsten. Er ließ sich wieder auf seinen Stuhl sinken, nahm einen Stift und klopfte damit auf die Schreibunterlage, während er nach
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