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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz
Autoren: Håkan Bravinger
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wirklich das, was du mit Wahrheit meinst? Es fragt sich, Madeleine, wie viel Wahrheit du selbst eigentlich verträgst.«
    »Ich kann nicht glauben …«
    Weiter kam sie nicht, ehe die Tränen sie überfielen.
    Diese verdammten, verdammten Tränen.
    Die Anschuldigungen, die er ihr an den Kopf warf, waren so furchtbar.
    Sie schluckte schwer, denn sie hatte nicht vor zurückzuweichen! Weiß Gott, sie würde ihm antworten, mit solchen Vorwürfen würde er ihr nicht davonkommen.
    Es ging nicht um sie, hämmerte sie sich ins Bewusstsein. Sie war nur eine Botin, die einen Auftrag erhalten hatte. Sie hatte auch eine Reihe von Wahrheiten im Gepäck.
    Aber nichts von all dem kam nun über ihre Lippen, nur leises Schluchzen, das jeden Ansatz, Worte zu formen, verhinderte. Ihre Zunge war wie ein großer Wattebausch, trocken und klobig, in die Kehle zurückgedrängt.
    Sie sah, dass er sie mit seinen Reptilaugen beobachtete, ohne etwas zu sagen.
    Eins wusste sie nun genau, sie musste fort. Doch als sie den ersten Schritt machte, um das Zimmer zu verlassen, war es, als wüsste sie nicht mehr, wo sie sich befand und wo die Tür war.
    Aber sie wollte, sie musste hinaus, an die frische Luft, musste fort aus dieser stickigen Enge.
    Es fiel ihr zunehmend schwer, klar zu sehen, dennoch gelang es ihr, die Tür zu öffnen. Ihre Schritte wurden schneller, sie versuchte, möglichst nicht zu laufen, denn sie wusste nicht, ob ihre Beine sie tragen würden.
    Diese vermaledeiten, sturzflutartig strömenden Tränen, die förmlich aus ihr herausspritzten. Der Kloß im Bauch und die Atemnot, als bekäme sie nicht genug Luft.
    Zur Tür, pochte es in ihrem Kopf, und auf mit der Tür, die so schwer war.
    Zwei Schritte auf die Veranda hinaus.
    Sie musste hier weg, schrie es in ihr, und die Schritte schoben sie auf die Eingangstreppe, und sie merkte, dass sie lief. Die kalte Luft, die sie erfrischte, Gesicht und Atemzüge kühlte. Sie sah den Atem, der vor ihrem Gesicht zu Dampf wurde. Das Ganze war so idiotisch, sie hätte von Anfang an wissen müssen, dass es nicht gehen würde. Auf Vårstavi konnte man keine Vergebung erlangen.
    Warum will man die Welt verändern, wenn man nicht einmal weiß, ob man ein Teil von ihr ist?
    Aber sie atmete ja, das sah sie doch mit bloßem Auge.
    Fort musste sie, weit weg von diesem Ort, von Vårstavi, fort von Poul und seiner Trauer, die er nur als unversöhnlichen Hass ausleben konnte.
    Dich soll der Teufel holen, Andreas, weil du mich gezwungen hast, hierherzukommen!
    Auf Vårstavi gab es nur Tod und Verwesung.

Lieber Bruder …
    Der Abschied rückt näher. Es gibt nicht mehr viel zu sagen. Gunhild wird allmählich müde, und ihre Lider sind öfter geschlossen als offen. Alle Kraft ist aus ihr gewichen. Kein Mensch kann die Zeit zurückdrehen.
    Ein bisschen dumm kommst du dir vor, weil du sie so lange gebeten hast, dir zuliebe zu kämpfen, damit du sie nicht verlierst.
    Du bleibst mit halb offenem Mund sitzen, als wolltest du etwas sagen.
    Wahrscheinlich, denkst du, hat sie sich heute von Amelie verabschiedet. Ein schreckliches Lebewohl, das du falsch interpretiert und für ein Ränkespiel auf deine Kosten gehalten hast.
    Du redest dir ein, dass du dir Zurückhaltung auferlegen musst, trotz all der furchtbaren Dinge, trotz all der Bösartigkeit, die sich dir aufdrängt und dich in eine Verteidigungshaltung zwingt. Du musst stark sein.
    Du wirst dich Gunhild zuliebe zusammenreißen. Du wirst alles andere beiseite schieben und ihr all deine Zeit widmen. Nicht eine Sekunde wirst du von ihrer Seite weichen. Jetzt wird keine Zeit mehr mit Nebensächlichkeiten vergeudet, alles wirst du ihr geben, dem einzigen Menschen, der dich je verstanden hat.
    Jetzt ist sie eingeschlafen, jetzt atmet sie tief. Du siehst sie so still, so friedvoll im Bett liegen. Auf einmal verspürst du den Wunsch, dich neben sie zu legen, und schiebst dich vorsichtig ins Bett. Du bewegst dich behutsam, um sie nicht zu wecken. Aber sie schläft so fest, dass sie deine vorsichtigen Bewegungen nicht bemerkt, als du dich hinter sie legst.
    Dann hörst du sie etwas murmeln, rückst näher an sie heran, legst das Ohr dicht an ihre Wange.
    Du hörst ihre schwache Stimme:
    »Jetzt lasse ich die Augen los …«
    Zunächst läuft ein Schauer durch deinen Körper. Du streichelst ihre Wange. Dann verstummt sie, und ihr Murmeln löst sich in den tiefen Atemzügen auf.
    Du legst dich hinter ihr auf die Seite, schiebst dich näher an sie heran, spürst die Wärme
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