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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz
Autoren: Håkan Bravinger
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wurde ihr warm.
    Sie lag noch hinter ihm, als sie seine Augen schloss.
    Sein Gesicht erkaltete bereits.
    Ja, er hatte sie verlassen, und sie hatte immer gewusst, dass er es eines Tages tun würde.
    Sie hörte die wutentbrannte Stimme, die immer und immer wieder das gleiche Wort brüllte: Mörderin!
    Sie war sprachlos, als er die Stimme erhob. Dann schrie er das Wort mehrmals hintereinander.
    Völlig unvorbereitet schreckte sie auf ihrem Stuhl zurück.
    Anfangs versuchte sie noch, ihm zu widersprechen, aber es hatte keinen Sinn, stattdessen begann er auch noch zu gestikulieren, mit den Armen zu fuchteln und ihr mit der geballten Faust zu drohen.
    Mörderin!
    Am Ende setzte Poul sich an den Schreibtisch. Er wirkte erschöpft, so als wäre alle Kraft aus ihm gewichen. Ihr fiel auf, dass er sich die Hand vor die Augen hielt, aber man konnte nicht sehen, warum. Entweder, um seine Tränen zu verbergen, oder um den Druck auf die Schläfen zu lindern.
    Großer Gott, dachte sie, er scheint am ganzen Leib zu zittern.
    »Ich kann nicht glauben, dass das wahr ist!«, brüllte er plötzlich mit frisch erwachter Kraft. »Ja, begreifst du denn nicht, dass das ein Fall für die Polizei ist? Du hast gegen jede Vernunft gehandelt. Dafür kommst du ins Gefängnis, und wenn es das Letzte ist, was ich tue! Das ist Mord, und sonst nichts. Mord!«
    Danach wurde es still, nur seine schweren Atemzüge waren noch zu hören.
    Schließlich erkannte Madeleine, dass sie sprechen musste.
    »Du übersiehst etwas. Und zwar, warum ich dich treffen wollte. Es ist die Wahrheit. Begreifst du nicht, dass ich es genauso gut hätte lassen können?«
    Sie sprach betont sachlich, wollte es ihm nicht mit einem ebenso hasserfüllten Ton gleichtun.
    »Es nicht zu erzählen«, fuhr sie fort, »die Wahrheit zu verheimlichen, sie diktatorisch zu behandeln, das muss aufhören. Deshalb bin ich hergekommen.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
    »Dreizehn Jahre habe ich das Leiden meines Mannes begleitet. Ich weiß, welche Konsequenzen das Schweigen haben kann. Ich war dabei, als ihr eure Mutter mit Schuldvorwürfen überzogen habt, wie jeder erwachsene Mann es tut. Aber wer soll denn diese Unfähigkeit, Verständnis zu zeigen, durchbrechen? Kannst du mir das beantworten, Poul?«
    Sie redete so schnell, dass sie außer Atem geriet.
    »Und deshalb«, fuhr sie hastig fort, damit er sie nicht unterbrechen konnte, »wollte ich dir erzählen, wie Andreas gestorben ist. Ich hätte es lassen können , um es mir leichter zu machen. Und vielleicht auch dir. Aber so ist es nun einmal gewesen. Wenn du nicht meiner Meinung bist, muss ich das akzeptieren. Aber ich will nicht lügen, will dir nichts vorenthalten, nur weil es dir nicht passt.«
    Im ersten Moment sah er aus, als hätte er sie verstanden. Vielleicht hatte er sie tatsächlich verstanden, vielleicht hatten ihre Worte ihn erreicht. Sie spürte, dass ihr Körper, der aufs Äußerste angespannt gewesen war, sich langsam entspannte.
    Dann aber sagte er mit gepresster Stimme:
    »Du findest also, dass Entscheidungen über Leben und Tod immer Privatsache sind? Du hast dich hier zur stellvertretenden Person aufgeschwungen. Bist du dir dessen bewusst? Wenn ich als Arzt der Auffassung wäre, einem Patienten erginge es ohne meine Behandlung besser, findest du dann, ich sollte ihm diese Behandlung vorenthalten? Weißt du, Madeleine, ich denke, du sprichst hier über Ethik, und damit über ein Thema, von dem du ganz offensichtlich keine Ahnung hast.«
    »Du weißt sicher mehr über Patienten als ich. Das bezweifle ich nicht. Aber denkst du wirklich, dass du Andreas besser gekannt hast als ich?«
    Er schnaubte und breitete die Arme aus.
    »In Fragen der Ethik geht es nicht darum, ob man einen Menschen kennt oder nicht. Das versuche ich dir gerade klarzumachen.«
    »Aber er wollte sterben! War es da nicht richtig, ihn in Würde sterben zu lassen?«
    »Wenn du dich hören könntest, würdest du begreifen, wie lächerlich du klingst.«
    »Aber du wusstest doch auch über seine Krankheiten Bescheid. Er hatte nicht mehr lange zu leben. Das wussten wir doch alle, Andreas so gut wie du und ich. Wir wussten … dass er ein sterbenskranker Mensch war.«
    »Mit einer strengen Diät kann man Probleme mit der Bauchspeicheldrüse überleben.«
    »Und die Schmerzen? Kann man die auch überleben?«
    »Hast du dir diese Frage nicht schon selbst gestellt?«
    »Doch …«
    »Und wie hast du sie beantwortet?«
    Sie sah fort, schloss die
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