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Ein unverbindliches Ja

Ein unverbindliches Ja

Titel: Ein unverbindliches Ja
Autoren: Katja Reuter
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finden? Ich wusste schon, warum ich nicht wollte, dass du mich besuchen kommst.«
    Das hat gesessen. Jetzt ist mir der Grund auch klar. Bestimmt hat er versucht seinem Bettnachbarn eine heile Welt vorzuspielen. Dass er geschieden ist, hat er mit Sicherheit nicht erzählt. Solide wollte er erscheinen, vielleicht hat er sich ein Mandat von ihm erhofft. Widerlich!
    Beleidigt stehe ich auf und verabschiede mich. »Gut, ich gehe dann wohl besser.«
    Hendrik sagt nichts, ohne Verabschiedung mache ich mich auf den Weg. Ich ärgere mich, dass ich dort überhaupt hingegangen bin. So eine Reaktion hätte ich niemals erwartet.
    Abends erreicht mich eine SMS: Sorry Herzchen, ich hab vorhin wohl etwas überreagiert, es tut mir leid! PS: Mein Bettnachbar hat mich gefragt, ob er sich das Magazin mal ausleihen darf!

KAPITEL 19:
RAUBTIERFÜTTERUNG
    Jolanda wird jetzt wieder an ihre rechtmäßige Besitzerin übergeben. Ich klingele an besagter Tür. Ein Traum von Frau öffnet, mir bleibt der Atem weg, so bildhübsch ist sie. Lange dicke Korkenzieherlocken reichen bis fast zur Taille. Braune Mandelaugen, dunkler Teint. Schlanke Figur in coolen Klamotten. So überwältigend hatte ich sie mir nun auch wieder nicht vorgestellt. Für diese Frau braucht man einen Waffenschein. Ohne Frage.
    Höflich bittet sie uns herein.
    »Hallo.« Sie schüttelt mir die Hand. »Schön, dich kennenzulernen. Annelise.«
    »Ich freu mich auch. Mareike.«
    Unsicher erzähle ich ihr von Jolandas Fußattacken.
    »Immer wenn ich barfuß mit rot lackierten Nägeln unterwegs bin, beißt mir diese Kampfschildkröte in die Zehen.«
    »Ja, das ist ganz normal, Jolanda denkt dann, sie hätte ein Stückchen Tomate aufgetan.«
    Während ich weiter so unbesonnen vor mich hinplappere, nimmt Annelise mir das Tier ab und verpasst ihr einen Begrüßungskuss. Irgendwie habe ich mir Schildkrötenbesitzer immer ganz anders vorgestellt, als Freaks eben, so ähnlich wie Vogelspinnenzüchter oder Menschen, die Schlangen halten.
    Annelise bietet mir eine Tasse Tee an. Kurzer Smalltalk und dann kommt sie, die Frage aller Fragen. Sie will wissen, wie es mit Hendrik läuft. Ich wusste, dass das kommt.
    »Wie behandelst du ihn?«
    »Ich verstehe nicht ganz?«
    Wie selbstverständlich: »Na, wie gehst du mit seinen Depressionen um. Mir ist das damals ganz schön schwer gefallen.«
    »Depressionen?«
    »Sag jetzt nicht, dass du das nicht wusstest?« Sie wirkt total erstaunt und errötet.
    »Ihr seid doch schon eine Weile zusammen.« Sie denkt kurz nach, bevor sie weiterspricht. »Dann ist er vielleicht eingestellt. Mit den passenden Medikamenten kommt er gut über die Runden. Mensch, das tut mir jetzt leid. Ich hätte niemals für möglich gehalten, dass er es vor dir versteckt. Damals ging er recht offen mit diesem Problem um.«
    Es fällt mir wie Schuppen von den Augen. Wie konnte ich nur so blind sein. Eine Psychologin, die keine Depression erkennt. Ich habe doch tatsächlich den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Völlig sprachlos sinke ich in mich zusammen. Irgendwann erklärt sich alles. Klar, dass er bei einigen Verabredungen strikt auf Selters statt harten Alkohol bestand. Da war er eingestellt. Ich beginne zu analysieren. Die zweite lange Funkstille war nach unserem Exzess auch ganz logisch. Der berühmte Höhenflug – vor dem Fall.
    Sein stetiger Rückzug. Eine Depression – ich fasse es nicht.
    Schade nur, dass er sich mir nicht anvertraut hat. Ich kann ihm doch helfen. Aber wahrscheinlich ist genau das der Punkt. Er möchte nicht von mir mit guten Ratschlägen überschüttet werden, er will allein aus seinen schwarzen Löchern kriechen.
    Die Unterhaltung stockt. Das geht auf mein Konto, ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    Schließlich schiebe ich meine Arbeit vor und verlasse fluchtartig Annelieses Wohnung. Bloß schnell weg hier.
    Ich muss jetzt erst einmal eins und eins zusammenzählen.

KAPITEL 20:
WELTUNTERGANG
    Gleich am nächsten Morgen – wie immer unausgeschlafen, weil ich die ganze Nacht hindurch über Hendriks Depressionen und meine Blindheit nachgedacht habe – muss ich mich mit Umberto herumstreiten. Er ist stocksauer, weil er sich von mir überrannt fühlt. Die erste Meinungsverschiedenheit mit ihm.
    Die Vorgeschichte: Ich habe trotz seines Verbots, weder Mütter noch Türken einzustellen, die Germanistik-Studentin Fatima Tilki als Aushilfskraft in unser Verkaufs-Team aufgenommen. Eine türkische Mutter von zwei Kindern!
    Umberto,
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