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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit
Autoren: Daphne DuMaurier
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als ich es ihm erzählte.
    »Drei Jahre verheiratet, und die Geschirrspülmaschine bedeutet schon mehr in eurem Eheleben als das Doppelbett, das ich nur der Vollständigkeit halber erwähne«, meinte er. »Ich habe dir ja gesagt, es würde nicht lange halten. Die Ehe meine ich, nicht das Bett.«
    Ich überging die Anspielung auf unsere Ehe, die nach den ersten impulsiven, leidenschaftlichen zwölf Monaten etwas anders aussah. Heikel war mir das Thema vor allem, weil ich in England bleiben wollte und Vita wünschte, daß ich mich in den Staaten niederließ. Jedenfalls gingen weder meine Ehe noch meine künftige Arbeit Magnus etwas an, und so sprach er von dem Haus, von den verschiedenen Veränderungen, die er seit dem Tod seiner Eltern darin vorgenommen hatte – ich war während unserer Studienzeit in Cambridge mehrmals dort gewesen –, und daß er die ehemalige Waschküche im Keller zu einem Labor umgebaut hatte, nur so zum Vergnügen, damit er sich bei seinen Experimenten zerstreuen konnte. Diese Experimente hätten mit seiner Arbeit in London nichts zu tun.
    Er köderte mich mit einem ausgezeichneten Abendessen, und ich stand, wie gewöhnlich, ganz im Bann seiner Persönlichkeit, als er plötzlich sagte: »Auf einem speziellen Forschungsgebiet glaube ich übrigens, etwas Interessantes entdeckt zu haben. Eine Kombination von pflanzlichen und chemischen Stoffen, die eine ganz außergewöhnliche Wirkung auf das Gehirn ausübt.«
    Er sagte das ganz gelassen, aber Magnus sprach immer gelassen, wenn er etwas erwähnte, das ihm besonders wichtig war.
    »Ich dachte, alle sogenannten harten Drogen hätten diese Wirkung«, sagte ich. »Die Leute, die sie nehmen – Meskalin, LSD oder was auch immer –, gleiten in eine exotische Phantasiewelt und bilden sich ein, sie seien im Paradies.«
    Er schenkte mir Kognak nach. »Die Welt, in die ich hinüberglitt, hat nichts Phantastisches«, erwiderte er. »Sie war vollkommen real.«
    Meine Neugierde war geweckt. Eine Welt außerhalb seiner egozentrischen Sphäre mußte schon eine besondere Anziehungskraft haben, um ihn zu interessieren.
    »Was für eine Welt?« fragte ich.
    »Die Vergangenheit.«
    Ich erinnere mich, daß ich lachte, während ich die Hand über meinem Kognakglas schloß. »Meinst du alle deine Sünden? Die schlimmen Dinge, die du in deiner Jugend getrieben hast?«
    »Nein, nein«, er schüttelte unwillig den Kopf. »Nichts Persönliches. Ich war nur Zuschauer. Genauer gesagt …«, er brach ab und zuckte die Achseln. »Ich sage dir nicht, was ich sah. Das würde dir das Experiment verderben.«
    »Mir das Experiment verderben?«
    »Ja. Ich möchte, daß du die Droge selbst ausprobierst und feststellst, ob sie bei dir die gleiche Wirkung hervorruft.«
    Ich schüttelte den Kopf. »O nein«, sagte ich, »wir sind nicht mehr in Cambridge. Vor zwanzig Jahren hätte ich vielleicht eine von deinen Mixturen runtergeschluckt und den Tod riskiert. Aber jetzt nicht mehr.«
    »Ich will ja nicht, daß du den Tod riskierst«, sagte er gereizt. »Ich bitte dich, zwanzig Minuten, möglicherweise eine Stunde von einem unausgefüllten Nachmittag zu opfern, bevor Vita und die Kinder ankommen, und ein Experiment durchzuführen, das unsere gesamte Auffassung von der Zeit umstoßen könnte.«
    Zweifellos meinte er es ernst. Er war nicht mehr der leichtfertige Magnus aus den Cambridge-Jahren, er war Professor der Biophysik, in seinem Fach bereits eine Koryphäe, und obgleich ich wenig oder nichts von seiner Forschungsarbeit verstand, war mir klar, daß er vielleicht die Bedeutung einer von ihm entdeckten Droge überschätzte, aber gewiß nicht log, als er mir sagte, welche Hoffnungen er in dieses Mittel setzte.
    »Warum gerade ich?« fragte ich. »Warum probierst du sie nicht unter geeigneteren Bedingungen an deinen Jüngern von der Londoner Universität aus?«
    »Weil das verfrüht wäre«, sagte er, »weil ich noch nicht so weit bin, daß ich irgend jemand einweihen könnte, nicht einmal meine Jünger, wie du sie nennst. Du bist der einzige, der weiß, daß ich mich mit Dingen beschäftige, die mit dem Kram, an dem ich sonst arbeite, überhaupt nichts zu tun haben. Ich bin durch Zufall auf diese Sache gekommen, und ich muß mehr über sie herausfinden, bevor ich auch nur im entferntesten sicher bin, daß sie weitere Möglichkeiten bietet. Ich habe vor, daran zu arbeiten, wenn ich im September nach Kilmarth fahre. Inzwischen bist du allein im Haus. Du könntest es wenigstens einmal
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