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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit
Autoren: Daphne DuMaurier
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dem Einfluß der Droge arbeitet, eine Verbindung besteht. Wir sahen in beiden Fällen den Reiter. Der Drang, ihm zu folgen, war außerordentlich stark. Du spürtest ihn und ich auch. Was ich noch nicht verstehe, ist, warum er in diesem Inferno den Vergil für unseren Dante spielt, denn das tut er, man muß ihm einfach folgen. Ich habe den ›Trip‹ – um das LSD-Vokabular zu benutzen – mehrmals gemacht, und er ist jedes Mal unweigerlich da. Du wirst feststellen, daß er dir beim nächsten Experiment wieder begegnet. Er übernimmt stets die Führung.«
    Seine Vermutung, daß ich mich weiterhin als Versuchskaninchen hergeben würde, überraschte mich nicht. Das war typisch für unsere langjährige Freundschaft und hatte schon damals in Cambridge angefangen. Er gab den Ton an, und ich tanzte nach seiner Flöte in Gott weiß wie vielen blödsinnigen Eskapaden unseres Studentenlebens und auch später, als wir getrennte Wege gingen – er als Professor der Biophysik an der Universität London, ich als bescheidener Verlagsmann. Meine Heirat mit Vita vor drei Jahren hatte zu einer Entfremdung zwischen uns geführt, die wahrscheinlich für uns beide heilsam war. Dann hatte er mir plötzlich für die Sommerferien sein Haus angeboten, was ich dankbar annahm, denn ich mußte mich entscheiden zwischen meiner alten Stellung und einem neuen Angebot – Vita drängte mich, die Leitung eines erfolgreichen Verlagshauses in New York zu übernehmen, das ihrem Bruder gehörte. Jetzt war mir, als hätte Magnus' Offerte einen Haken. Die ›faulen Tage‹, mit denen er mich geködert hatte, der Gedanke, im Garten zu liegen, in der Bucht zu segeln, nach den Vögeln zu schauen, all das erschien mir nun in einem etwas anderen Licht.
    »Also hör zu, Magnus«, sagte ich, »ich habe das heute für dich getan, weil ich selbst neugierig war und auch, weil ich allein hier bin; ob das Mittel wirkte oder nicht, spielte für mich eigentlich keine Rolle. Aber daß ich weitermache, kommt gar nicht in Frage. Wenn Vita und ihre Kinder ankommen, bin ich gebunden.«
    »Wann kommen sie denn?«
    »Vita fliegt in einer Woche von New York ab, holt die Jungen aus der Schule und bringt sie her.«
    »Das geht. In einer Woche kannst du viel schaffen. Aber ich muß jetzt fort. Ich rufe dich morgen um die gleiche Zeit an. Auf Wiederhören.«
    Er hatte aufgehängt. Ich saß da mit dem Hörer in der Hand, hatte noch hundert Fragen, und nichts war geklärt. Typisch für Magnus! Er hatte mir nicht einmal gesagt, ob dieser Höllentrank aus synthetischen Pilzen und den Hirnzellen eines Affen bestand (oder was immer in der Lösung war), ob diese abscheuliche Flüssigkeit irgendwelche Nebenwirkungen haben würde. Schwindel und Übelkeit konnten sich abermals einstellen. Vielleicht würde ich plötzlich blind oder verrückt oder beides. Zum Teufel mit Magnus und seinem grotesken Experiment.
    Ich beschloß, hinaufzugehen und ein Bad zu nehmen. Welche Erleichterung, mein verschwitztes Hemd und die zerrissene Hose auszuziehen und mich in einer Wanne mit dampfendem Wasser, das nach Badeöl duftete, zu erholen. Magnus war alles andere als anspruchslos in seinem Geschmack. Vita würde die Schlafzimmersuite, die er uns zur Verfügung gestellt hatte – sein eigenes Schlafzimmer, Badezimmer und Ankleideraum, das Schlafzimmer mit einem atemberaubenden Blick auf die Bucht –, bestimmt gefallen.
    Ich lehnte mich in der Wanne zurück, ließ das Wasser laufen, bis es mir ans Kinn stieg, und dachte an unseren letzten Abend in London, als Magnus zum erstenmal auf dieses zweifelhafte Experiment zu sprechen kam. Vorher hatte er nur gesagt, wenn ich während der Schulferien der Jungen verreisen wollte, so stehe mir Kilmarth zur Verfügung. Ich hatte Vita in New York angerufen und sie überredet, das Angebot anzunehmen. Vita war nicht sehr begeistert, denn sie war eine Treibhauspflanze wie viele amerikanische Frauen und verbrachte ihre Ferien lieber unter südlichem Himmel, mit einem Spielkasino in der Nähe. Sie wandte ein, in Cornwall regne es doch immerzu, nicht wahr, und ob das Haus denn warm genug sei, und wie würden wir es mit dem Essen machen? Ich beruhigte sie in allen Punkten, auch im Hinblick auf die Putzfrau, die jeden Morgen vom Dorf herkam, und schließlich war sie einverstanden, hauptsächlich, glaube ich, weil ich erklärt hatte, es gebe eine Geschirrspülmaschine und einen überdimensionalen Kühlschrank in der neu eingerichteten Küche. Magnus amüsierte sich sehr,
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