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Ein Tropfen Blut

Ein Tropfen Blut

Titel: Ein Tropfen Blut
Autoren: Theo Pointner
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Himmel, es war zwar warm, aber nicht unangenehm heiß; wegen des ständigen, leichten Windes konnte sich die drückende Hitze, die einen Sommer in der Stadt meistens kennzeichnete, erst gar nicht ausbreiten.
    Aber seine Schulden drückten Locke trotzdem aufs Gemüt. Mit den siebzigtausend Miesen auf der Bank konnte er ganz gut leben, mehr Kohle war von dort aber nicht zu bekommen. Immerhin hatte er seine Lebensversicherung als Sicherheit hinterlegt – sollte er abtreten, wurde zumindest sein Exarbeitgeber entschädigt. Sorgen machten Locke die Schulden bei Achmed.
    Diese verdammte Zockerei! Erst war es ja wirklich nur Spaß gewesen, hin und wieder auf die Rennbahnen nach Recklinghausen und Gelsenkirchen oder in die Spielbank nach Dortmund. Zu Beginn hatte er unbedeutende Summen verspielt, hin und wieder auch mal etwas gewonnen.
    Wann er das erste Mal auf die Idee gekommen war, es mit Poker zu versuchen, wusste er nicht mehr. Jemand von der Rennbahn hatte ihn mit in einen privaten Klub genommen, in einem der Hinterzimmer war es dann zur Sache gegangen. Fast zweieinhalb Riesen hatte er an jenem Abend gewonnen und danach war der Bann gebrochen.
    Zuerst kassierte er regelmäßig, dann immer seltener und seit gut anderthalb Jahren ging fast nichts mehr, von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen. Seine Frau hatte ihm schon bald die Hölle heiß gemacht, er solle endlich mit dem Unsinn aufhören.
    Locke grunzte unwillig. Diese blöde Kuh! Zwängte jeden Morgen ihren Hintern in eines ihrer vier Kostüme und war glücklich, wenn sie diesem Flachwichser, den sie als Chef hatte, den Kaffee servieren oder den Aktenkoffer auf Konferenzen hinterher schleppen durfte. Stellvertretende Abteilungsleitung nannte sich das großspurig, sie selbst bezeichnete das als ›Karriere machen‹.
    Etliche Versprechen hatte Locke gemacht, ja, er höre mit dem Spielen auf, nur dieses eine Mal noch, dann sei Schluss. Von wegen. Jedes Mal, wenn es ganz schlimm um seine Finanzen stand, gewann er wieder ein wenig. Aber diese Glückssträhnen hielten nie an.
    Locke hatte einen Kredit aufgenommen, später einen zweiten, aber das Fass hatte bereits keinen Boden mehr. Also hatte er in die Kasse der Bank gegriffen, bei der er seit seiner Ausbildung tätig gewesen war. Nur zwanzig Scheine, Kleingeld für so ein Institut, aber sie hatten es bemerkt. Locke war sofort gefeuert worden, von einer Anzeige war abgesehen worden, weil seine Frau das Geld zurückzahlte; allerdings nicht etwa aus Liebe, sondern weil sie der Meinung war, mit einem inhaftierten Ehemann sei ihr berufliches Fortkommen erschwert. Noch am selben Tag hatte sie ihn aus der Wohnung geworfen. Es war ihm egal gewesen. Viel hatten Locke und seine Frau sowieso nicht mehr gemeinsam gehabt. Aber im Bett war sie einsame Spitze gewesen, denn sie teilte die gleiche Vorliebe für gewisse Spielchen wie er.
    Nach drei Monaten hatte er einen neuen Job gefunden, als Berater in einer privaten Investmentfirma. Locke hatte sich zusammengerissen, geschuftet wie ein Bekloppter und einen Abschluss nach dem anderen vorweisen können. Sein Boss war zufrieden mit ihm, das Gehalt und die Provisionen waren gestiegen, aber so viel Locke auch verdiente, das Geld wanderte sofort auf den Spieltisch und dann war es weg. Irgendetwas hatte passieren müssen, und zwar schnell.
    Seine neue Firma schien ihm die beste Lösung. Nächtelang hatte Locke in seiner Mansardenwohnung einen Plan ausgebrütet, wie er Geld abschöpfen konnte, ohne sofort aufzufallen. Schließlich hatte er Konten bei verschiedenen Geldinstituten eröffnet und gefälschte Überweisungen seiner Firma gegengezeichnet. Kleine Beträge, keine großen Summen, mal zwei-, mal viertausend, so, dass niemand misstrauisch werden konnte. Sicher, sollte es mal eine Überprüfung der Konten und Überweisungen geben, war er erledigt, aber die letzte Prüfung lag erst ein Vierteljahr zurück. Zumindest hatte sich Locke ein bisschen Luft verschafft.
    Er seufzte theatralisch auf und griff nach seiner Tasse. Am Nebentisch manschte ein ungezogenes Blag voller Begeisterung in seinem Eisbecher herum. Locke stellte sich bildlich vor, wie unterhaltsam es sein könnte, dem Bengel gute Manieren beizubringen, und zündete sich eine Zigarette an.
    Seine Luftbuchungen und kleinen Betrügereien allein retteten ihn nicht, dafür stand er zu tief in der Kreide. Er brauchte entweder einen Riesenpott oder es musste etwas anderes geschehen.
    Dieser verdammte Russe mit seinem gottverfluchten
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