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Ein Tropfen Blut

Ein Tropfen Blut

Titel: Ein Tropfen Blut
Autoren: Theo Pointner
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früh angefangenen Sommer zu genießen. Ab nächster Woche hatte ihre Abteilung zwar wieder Bereitschaft, aber noch machten sich die beiden darüber keine Gedanken.
    »Meinst du, die vermissen uns?«, fragte Katharina in die Stille.
    »Mhm?«, machte Hofmann. »Ach was. Sonst wäre doch bestimmt schon jemand aufgetaucht.«
    »Hoffentlich hast du Recht. Wer ist überhaupt auf diese bescheuerte Idee gekommen?«
    Die ›bescheuerte Idee‹ meinte den Antrittsbesuch der neuen leitenden Staatsanwältin der Abteilung für Gewaltdelikte. Vorgestern war der Chef der Kripo, Kriminaldirektor Bauer, extra in seinem schicken Maßanzug und seiner kleidsamen Goldrandbrille durch jedes ihrer Büros gewackelt, um an den Termin zu erinnern. Zugegeben, eine Frau, die in leitender Position für die Abwicklung von Kapitalverbrechen zuständig war, war zwar genauso ungewöhnlich wie ein Lawinenunglück in Oer-Erkenschwick, aber deshalb gleich so einen Aufstand?
    »Vermutlich Flenner«, riet Hofmann hinter seinem qualmenden Ungetüm. »Und für Bauer ist das doch die Gelegenheit, der Tussi sofort einen Knopf an die Backe zu labern.«
    »Wenn diese Juristin diese Abteilung übernimmt, muss die wirklich etwas auf dem Kasten haben«, überlegte Katharina. »Oder ist dir schon mal eine Oberstaatsanwältin über den Weg gelaufen, die für Kapitalsachen zuständig war?«
    »Nö«, meinte Hofmann. »Ist mir aber auch egal.«
    Der Kommissar hatte seinen Satz kaum beendet, als Wielert hektisch um die Ecke bog. Als er seine beiden Schäfchen so gemütlich hinter ihren Schreibtischen sitzen sah, holte er tief Luft.
    »Was macht ihr denn noch hier?«, zischte er. »Seit einer Viertelstunde läuft die Show.«
    »Ist das schon heute?«, fragte Katharina unschuldig. »Ich dachte, das wäre erst…«
    »Kollegin Thalbach, die Kreativität deiner Ausreden sind für mich sonst immer ein Labsal, aber nicht heute«, drängelte ihr Chef ungeduldig. »Kwiatkowski und Bauer sind schon auf hundertachtzig.«
    »Ist dir ‘ne Laus über die Leber gelaufen?«, erkundigte sich Hofmann, während er in die Senkrechte kam. Seit Wielerts letztem Geburtstag, den die Angehörigen der Abteilung gemeinsam mit etlichen Flaschen Rotwein in Wielerts Partykeller gefeiert hatten, waren die Mitarbeiter mit ihrem Boss per Du. Der Einzige, der sich standhaft weigerte, Wielert auch nur zur Kenntnis zu nehmen, war Kollege Heinzel.
    »Ich hatte gestern bereits das Vergnügen, Frau de Vries kennen zu lernen«, erläuterte Wielert, während er hinter seinen Leuten über den Flur hastete. »Zitiert mich nicht, aber die Frau bedeutet Ärger.«
    »Jetzt wart doch erst mal ab«, beschwichtigte die Blonde. »Bloß, weil sie…«
    »Katharina, das ist keine Spekulation. Es gibt Ärger, und der wird heute anfangen.« Mit diesen Worten riss Wielert die Tür zum Besprechungszimmer auf und schob die beiden Jüngeren vor sich her. Kriminalrat Kwiatkowski sah kurz auf und schüttelte unmerklich den Kopf.
    »Ich glaube, ich spreche für uns alle«, tönte Kriminaldirekter Bauer gerade selbstgefällig über die Häupter seiner Lieben hinweg, »wenn ich Ihnen einen erfolgreichen Start in Bochum wünsche. Und ich hege keinen Zweifel, dass die bisher hervorragende Zusammenarbeit zwischen der Kripo und der Staatsanwaltschaft unverändert fortgeführt wird.«
    Während die ersten Zuhörer missmutig applaudierten, quetschten sich Thalbach und Hofmann auf die beiden freien Plätze neben Wielert. Einige Kollegen schauten grüßend herüber und nutzten die Gelegenheit, viel sagend mit den Augen zu rollen.
    Bauer fühlte sich inzwischen genügend gebauchpinselt und räumte mit einem strahlenden Lächeln den Platz neben dem Tageslichtprojektor. Katharina verzog angewidert die Nase. Der Chef der Kripo hatte von nichts Ahnung, wusste aber prinzipiell alles besser. Bauer war dazu prädestiniert, die Bochumer Ermittler auf offiziellen Anlässen zu vertreten, aber wenn er sich in die alltägliche Arbeit einmischte, drohten jedes Mal Probleme.
    Hofmann bohrte seiner Kollegin einen Ellbogen in die Rippen. »Das ist sie bestimmt«, nuschelte er.
    Dort, wo der Kripochef eben noch gestanden hatte, baute sich jetzt eine stattliche Dunkelhaarige auf. Mit wachen Augen musterte sie die Kriminalbeamten und wartete demonstrativ, bis das leise Gemurmel verebbt war.
    »Eigentlich habe ich den Worten von Kriminaldirektor Bauer nichts hinzuzufügen. Ich bin ebenfalls sehr an einer effizienten Zusammenarbeit interessiert, und dass
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