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Ein toter Taucher nimmt kein Gold

Ein toter Taucher nimmt kein Gold

Titel: Ein toter Taucher nimmt kein Gold
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Faerber unruhig. Drexius war zwar ein Mann, der immer anders reagierte als andere Menschen, aber er war noch nie hinter seinen alten Büchern geblieben, wenn Faerber im Laden erschienen war.
    »Ich habe etwas gefunden!« rief Faerber deshalb und klopfte gegen einen der Schränke. »Phantastisch! ›Lehre der Chirurgie, von Regimentsmedicus Christopher Bolte, 1743.‹ Wo haben Sie denn das ausgegraben?«
    Stille. Sie wirkte plötzlich bedrückend und unheilvoll. Faerber ließ das alte Buch auf einen Tisch fallen und lief in das Büro. Das kleine fensterlose Zimmer war leer, unordentlich wie immer, nur ein paar Schubladen standen offen, aber das war bei Drexius normal. Da stimmt doch etwas nicht, dachte Faerber verwirrt. Drexius hat nie seinen Laden verlassen; selbst das Essen wurde ihm von einer benachbarten Wirtschaft gebracht. Wenn er wegging, schloß er ab und ließ sogar das Eisengitter vor dem Fenster herab. Ein offener, verlassener Laden – bei Drexius unmöglich! Es war Faerber, als griffe etwas Kaltes nach ihm. Es kroch ihm bis unter die Haut. Ein leises Kribbeln, ein entsetzliches Gefühl.
    »Herr Drexius …«, sagte er noch einmal. Seine Stimme war rostig geworden.
    Es waren nur drei Schritte um den Schreibtisch herum, dann entdeckte Faerber die Füße. Er bückte sich, kroch vorsichtig, ohne den Körper zu berühren, unter den Tisch und beugte sich über das Gesicht des Toten.
    In den starren Augen lag noch das Erstaunen, das den alten Mann beim Anblick des Mörders erfaßt hatte. Faerber sah, daß die Schädeldecke zertrümmert war, diese dünne Knochenschale unter den schlohweißen langen Haaren. Es war wenigstens ein schneller Tod gewesen.
    »Drexius …«, sagte Faerber leise und richtete sich auf. »Mein Gott, Drexius …«
    Mit zitternden Händen tastete Faerber nach dem Telefon, das im Laden an einer Wand hing. Ein alter Apparat, für den die Post eine Sondererlaubnis ausgestellt hatte, speziell für Drexius.
    »Mordkommission …«, sagte Faerber mit heiserer Stimme. Es knackte ein paarmal in der Leitung. »Hier ist Faerber. Ich stehe im Laden des Antiquitätenhändlers Drexius in der Salvistraße. Salvistraße, ja. Drexius ist heute morgen ermordet worden.« Und leise fügte er hinzu: »Ein ganz sinnloser Mord …«
    Kommissar Perthes und seine Beamten hatten wenig zu tun. An Spuren gab es kaum etwas zu sichern … Ein paar herausgezogene Schubladen, die leere Tageskasse, die vermutlich nur Wechselgeld enthalten hatte. Keine Fingerabdrücke im Büro, außer denen von Drexius. Im Laden brauchte man gar nicht erst anzufangen, hier klebten an allen Gegenständen Hunderte von fremden Fingerspuren. Eine Antiquität faßt man an, bevor man sie kauft, dreht sie hin und her, bekommt eine Beziehung zu ihr – das ist das Geheimnis und der Zauber eines solchen Kaufes.
    Kommissar Perthes saß auf der Kante des Renaissance-Schreibtisches und wartete, bis der Leichenwagen des Gerichtsmedizinischen Institutes den alten Drexius abgeholt hatte. Er lag in einem schmalen Zinkblechsarg mit gewölbtem Deckel. Als der Deckel zufiel, zuckte Faerber zusammen.
    »Sie haben ihn gut gekannt, Herr Faerber?«
    »Ich war sein Stammkunde, ärztlicher Berater, seine wandelnde Klagemauer. Manchmal schien es«, Faerbers Stimme schwankte etwas, »als betrachte er mich heimlich als seinen Sohn. Man spürt so etwas an vielen Kleinigkeiten. Drexius war ein Sonderling, eingesponnen in seine zusammengesammelte, versunkene Welt aus vier Jahrtausenden, aber er war ein selten guter Mensch. Sie brauchen sich nur umzublicken, Kommissar – er brauchte die laute Welt nicht, um glücklich zu sein.«
    Perthes nickte. »Ich fürchte«, sagte er, »wir werden den Mörder nie finden. Höchstens durch einen Zufall. Ein glatter Raubmord. Irgendein junger Bursche, der Zigarettengeld brauchte oder sich eine Pulle kaufen wollte! Heute bringt man Menschen um wegen einer Schachtel Zigaretten. Oder auch nur so zum Spaß, um zu sehen, wie es ist, wenn ein Mensch stirbt.« Er rutschte von der Schreibtischplatte und nahm seinen Hut von dem vergoldeten Haken an der Wand. Ein Barock-Haken. Aus einem Schloß in Oberfranken.
    »Erben hatte Drexius nicht?«
    »Er hat nie davon erzählt. Er war einer der Menschen, die allein auf der Welt sind. Auch das scheint es zu geben.«
    »Mehr als Sie denken, Herr Faerber.« Kommissar Perthes holte aus einer Mappe einen Briefumschlag hervor. »Das haben wir im Schreibtisch gefunden. Obwohl es zu den Asservaten gehört,
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