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Ein toter Taucher nimmt kein Gold

Ein toter Taucher nimmt kein Gold

Titel: Ein toter Taucher nimmt kein Gold
Autoren: Heinz G. Konsalik
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will ich mal eine kleine Dienstverfehlung begehen und den Brief öffnen. Sehen Sie mal, was drauf steht.«
    »An Hans Faerber …«, las Faerber leise. »Das bin ich.«
    »Natürlich. Gucken wir mal 'rein.« Perthes schlitzte das Kuvert auf und holte einen der typischen Drexius-Zettel heraus. Irgendwo abgerissen, mit einem Fettfleck, mit Bleistift beschrieben. »Bitte … lesen Sie vor, Herr Faerber.«
    »Mein Junge …«, las Faerber, dann stockte seine Stimme. Perthes wartete ein paar Sekunden und legte ihm dann den Arm auf die Schulter. »Holen Sie tief Luft, und dann weiter …«
    »Mein Junge … Wenn ich einmal tot bin, schenke ich dir den goldenen Teppich … Drexius.«
    Faerber gab den Zettel an Perthes zurück. Sie sahen sich an. »Was ist der goldene Teppich?« fragte Perthes nach einer Weile.
    »Ich weiß nicht, Herr Kommissar.«
    »Sehen Sie hier einen goldenen Teppich? Kennen Sie einen? Hat Drexius so etwas gehabt? Was heißt ›goldener Teppich‹? So etwas gibt es nicht. Höchstens einen goldfarbenen oder einen mit Goldfäden durchwebten. Aber der müßte uns aufgefallen sein. Wir haben den Laden systematisch untersucht. Vielleicht in seinem Sommerhaus? Da gehen wir gleich noch hin.«
    »In seinem Sommerhaus sicher nicht. Drexius erzählte mir mal, daß er draußen in seinem Häuschen wie ein Gärtner lebe. Bestimmt nicht auf einem goldenen Teppich.«
    »Ein Sonderling. Bevor das Nachlaßgericht und ein Notar sich darum kümmern: Nehmen Sie das Erbe an?« Es sollte sarkastisch klingen, aber Faerber nickte ernst.
    »Ja. Für die Abwicklung aller Dinge schlage ich unseren Hausnotar vor. Er regelt alles für unsere Familie. Was wird aus dem Laden?«
    »Er wird versiegelt, bis Erben gefunden sind. Gibt es keine, wird das hier alles versteigert und der Erlös karitativen Zwecken zugeführt. Alles – bis auf Ihren goldenen Teppich.« Kommissar Perthes steckte den Zettel wieder in das Kuvert. »Das wird noch eine umständliche Schreiberei und Suche. Tote ohne Angehörige sind ein Kreuz für die Behörden!« Er blickte sich um und sah, daß seine Beamten nichts mehr tun konnten. Der bescheidene Lebensraum des Hubert Drexius war schnell durchforstet. »Gehen wir …«
    »Und mein Erbe?« Faerber lächelte bedrückt.
    »Das hat Zeit. Hier läuft Ihnen nichts weg. Von jetzt an ist alles ein behördlicher Vorgang.«
    Faerber blickte den beiden Wagen der Mordkommission nach, bis sie um die nächste Ecke bogen. Die Ladentür war mit zwei polizeilichen Siegeln verschlossen. Die Fenstergitter waren nicht heruntergelassen worden. Die Polizisten hatten die Kurbel für den alten Drehmechanismus nicht gefunden. Die Salvistraße lag so still da wie zuvor. Niemand schien die Anwesenheit der Mordkommission bemerkt zu haben.
    Hans Faerber wartete eine halbe Stunde, dann rang er sich zur ersten und letzten kriminellen Tat seines Lebens durch: Vorsichtig löste er mit einem Taschenmesser die amtlichen Siegel. Zwei kräftige Stöße genügten, und das alte Schloß hakte aus.
    Als er jetzt wieder den Laden betrat, kam er ihm wie eine überladene Gruft aus alten Zeiten vor. Er verriegelte die Tür von innen und machte sich sofort an den Regalen und Tischen zu schaffen. Er wühlte in den Ecken und holte tausenderlei Kleinkram aus den Schränken. Nach einer Stunde gab er auf. Er setzte sich auf einen der Tische, steckte sich eine Zigarette an und begriff nicht, warum der alte Drexius ihm ein Erbe vermachte, das es nicht gab. Aber es mußte ihm offensichtlich ernst damit gewesen sein.
    Er hatte geschrieben: »Mein Junge …«, und in diesen zwei Worten lag so viel stille, nie gezeigte Zärtlichkeit …
    Faerber wollte den Laden schon wieder verlassen, als er in einer Ecke, zwischen zwei altdeutschen Schränken, ein kleines, verstaubtes, vom Alter dunkel verfärbtes Bild bemerkte. Hundertmal war er daran vorbeigegangen. Es war ein Bild, so wertlos und kitschig, daß Drexius es nie verkaufen konnte. Es hatte auch keiner danach gefragt.
    Ein Maler, anscheinend von billigen Abenteuererzählungen inspiriert, hatte einen Araber auf die Leinwand gepinselt. Hinter dem Araber stand ein Kamel, umgeben von Palmen und einem blauen Himmel. Der Araber hockte auf dem Boden und rauchte aus einer Wasserpfeife. Aber er saß nicht im naturalistisch gemalten gelben Wüstensand – er saß auf einem goldenen Teppich …
    »Drexius, das ist doch nicht wahr …«, sagte Faerber leise. »Das ist doch ein Witz! Ich wußte gar nicht, daß Sie so einen
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